Sterile Bar mit Zuhälter
Der Tag ist dunkel / Der Rundgang vorbei / Das Essen war gut / Da ich nicht alleine im Appartement sitzen möchte, beschließe ich den Fußball als Grund zu nutzen, um noch einmal in eine Bar zu gehen. / Ohne Fußball sieht das noch komischer aus. / Noch komischer ist es nur alleine auf dem Appartement in der fremden Stadt, nur sieht es da keiner. / Aber belasse ich es wirklich bei der einen Übung des Vortrags? / Beschließe morgen noch eine zu machen. / In voller Montur. / Mit dem Stift in der Hand. / Streichen. / Streichen. / Streichen.
Die Stadt ist heute etwas anders als gestern. / Zumindest in der Dunkelheit. / Heute arbeiten die Nutten wieder. / Gestern bin ich etwas planlos mindestens drei Mal über diese Ausgehstraße gelaufen / ohne zu wissen, wo ich nun meinen Platz finde. / Heute gehe ich weniger planlos, natürlich noch immer alleine. / Das macht mich zum potentiellen Kunden. / Geräusch. / Ein komisches Pfeifen. / Jemand kommt auf mich zu. / Verlässt einen anderen Jemand in dunkler Jacke. / Die Weiße kommt auf mich zu. / Das konnte ich sehen, als ich den Kopf kurz gehoben und im Augenwinkel die Herkunft der Akustik ausgemacht habe. / Fast tierisch instinkthaft. / Doch kontrolliert. / War dann froh als ich sah, dass es um bezahlten Verkehr ging. / Kenne ich aus Hamburg. / Das war ein Stück Heimat. / Gehe zügig weiter und richte den Blick Richtung Boden. / Nicht auf den direkten, sondern suche einen Fluchtpunkt ein paar Meter vor mir. / Nachdenklich. / Vierte Wand. /
Dann stelle ich fest – im Tunnel – dass ich in Köln nur einmal einer Nutte über den Weg gelaufen bin. / Noch während des Zivis. / Wirkte wie auf Drogen. / Dann fallen mir noch zwei, drei Situationen ein, seitdem ich in Kalk wohne. / Aber das waren Begegnungen im gemeinsamen Alltag. / Jeder war befasst mit seiner Arbeit. / Angesprochen wurde ich in Köln nie. / In Berlin damals einmal in der Gruppe. / Mit der Band auf Tour. / Das erste Mal. / “Wir sind alle schwul”, rief unser Bassist. / Berliner. / “In den A* f* könnt ihr mich auch”, rief die Perücke als etwas unerotische Antwort mit sympathisch lustvoller Stimme hinter uns her. / Wir dachten an alles – außer Sex. / Zusammen. / In der Gruppe. / Was jeder für sich dachte – darüber liegen mir keine Informationen vor. / Erinnerungen habe ich nicht. / Wir haben auch nie darüber gesprochen. /
Wundere mich noch immer, dass die Nutten in Köln offensichtlich eben nicht sicht. / Unsichtbar. / Weiße Jacke. / Ich denke an Engel, Böll und während ich schreibe fallen mir Die Brennenden ein. / Vielleicht wollte sie retten. / Nur bin ich nicht hilfesuchend. / Ich bin selber Retter. / Auf andere Art. / Kann sie nicht wissen. / Ich kann offensichtlich schwimmen. / Allerdings sieht es wohl angestrengt aus. / Das macht mir Gedanken. / Vielleicht hätten wir uns doch mal unterhalten sollen. / Gemeinsam über das Retten. / Die Geschäfte. / Bei ihr laufen sie besser. / Da bin ich mir sicher. / Mir fällt noch eine Begegnung auf der Straße vor der Synagoge in Köln ein. / Alter kleiner Mann mit Glatze. / Weiß. / Junge schlanke, groß gewachsene Frau von eleganter Statur. / Nicht-Weiß. / Ich vermute Geschäftsreise. / Beide. / Unsichtbar sind sie also nicht. / Nur wer sie sucht, muss sie finden. / Und man muss sie sehen, wenn sie denn kommen und man sie braucht. /
Ich gehe an die Bar. / Frage ob die Bedienung Englisch spreche. / Tut sie. / Blonde, junge Frau von zierlicher Gestalt. / Ihre Kollegin brünett. / Schlank. / Groß. / Tättowiert. / Beide. / Knappe Hosen. / Wie Hemden. / Körperbetont. / Berufskleidung. / Gäste: Ausschließlich Männer. / Essen, trinken, Fußball und –. / Der Raum wirkt steril. / Saubergeputzt. / Präservativ. / Ich fühle mich auf der anderen Seite des Stereotyps. / Das sehen die Blicke. / Ich fühle mich fremd. / Ungemütlich. / Mir passt es ganz gut, dass das Spiel schnell entschieden ist, auch, weil das Fernsehbild durch das Rahmenkreuz des vierkacheligen TVs wirklich eine Zumutung ist. / Halbzeit. / Ich bestelle nicht noch ein Bier, sondern beschließe nach Hause zu gehen. / Verbindendes Element: Hier nicht. / Suche Distanz. / Bin froh, wenn ich raus bin. / Bezahle bar. / Ist hier wohl selten. / Es gibt Probleme mit dem Wechselgeld. / Die Frau hinter der Theke wendet sich an einen der drei Männer hinter sich. / Wirkt wie ein Mädchen. / Jetzt sehe ich sie noch einmal genau an: In der zweiten Reihe hinter der Bar stehen drei Männer von großer Statur mit sehr bösem Blick. / Der Blick ist meine Interpretation. / Vielleicht schaue ich ähnlich. / Das passiert mir manchmal. / Doch die Frau wirkt wie ein Mädchen, das ihren Vater nach Wechselgeld fragen muss. / Zwei hübsche Frauen und drei starke Männer. / Ihre Schultern sind breiter als die der Frauen zusammen. / Ich ahne das Hinterzimmer. / Das es vielleicht gar nicht gibt. / Vielleicht. / Oder Hauptquartier. / Einer der Herren schaut ins Portemonnaie. / Ich kriege 10 Zloty zurück. / Vielleicht ist meine Summe zu klein. / Und hier zahlt man elektronisch. /
Verlasse meinen Platz neben der Bar und bin glücklich wieder an die frische Luft zu kommen. / Gehe durch die Dunkelheit an den Nutten vorbei, die noch einmal rufen. / Diesmal schaue ich nicht hoch. / Gehe in den Tunnel. / Streife Graffitis und die drei Bars am Ende. / Das Gewässer beruhigt sich. / Freue mich auf das Bett. / An diesem Tag zu viel wirklich gesehen. / Kattowitz heute zu aufregend. /