Heinrich, Heine und Wir

Da ist die neue Loreley!
Es riecht nach altem Fleisch…
Die Sonne treibt die Ermattung
und trocknet doch die Liebe nicht
aus.

In der Straßenbahn kreischen Blicke
auf mich zu und verdampfen.
Kein Ruf der Gezeiten, sie flüstert mir
mehr als fremde Wahrheiten zu.

Ich kenne dich, und ich liebe dich so
wenn Freude und Schmerz sich amalgamieren
so wie du sprichst, singst und schweigst
wird die Legierung eine reinste Quelle. –

Im Zugabteil lachst du mich an
ihr Sohn spielt mit einem Feuerwehrauto
die freien Plätze und Nummern folgen hier
keiner einfachen Architektur, in Sicherheit
wähnen; jemand sucht seinen Platz.

Das Fensterglas gerät in Vergessenheit
der innere Zugwind macht uns lebendig
die Stille des Todes macht uns heute
nicht zu seinen obdachlosen Gefährten.

Am Hauptbahnhof begrüßt uns ein Clown
er trägt unsere Koffer und lacht dabei sanft
die fürsorgliche Heldenfigur oder die Heldin
machen uns zum Torso der Bildungsidee.

Ein Mensch! Ein buntes Leben, jetzt
sind er oder sie oder sie und auch er
nicht mehr getrennt oder zusammen
sondern einfach nur froh, dass sie
da sind. –

Niemand singt diese Lieder für uns
Ich rechtfertige mich nicht für das Heute
Deine Gesichter sind mir die ganze Erinnerung
Du machst das ›Ich‹ zur gesunden Pluralität.

Die Figur zieht hinaus in die neue Welt
und mauert sich in die weiße Chronologie
am Wegrand blühen die Hyazinthen laut
durch die Bewegung wird ihre Vitalität
zur geborgenen Ruhe.

Der Clown möchte fünf Mark –
für seine Arbeit, für etwas zu essen, für
den Cognac, der ihm die Einsamkeit raubt
und der ihn an die Verlorenheit ausliefert.

Ein Vater zeigt sich an, wie sehr ist das Vermissen
weil und wenn wir nicht mehr lautlos funktionieren.
Die Schienen speichern das Sonnenlicht
der Zug fährt, im nächsten Wartesaal oder
am Gleis werden wir uns treffen.

Du schreibst mir eine Sprachnachricht, ich
singe tonlos vor Freude im Stimmengewirr
verlieren wir uns nicht mehr aus den Augen
und was, wenn doch?

Wenn wir Träume erleben. Wenn wir lachen
und wenn wir uns finden, weil wir es wissen
dann wird es so sein, dass die Verlorenheit
sich an uns schmiegt und wir sind ihr Entzug
und das Rauschgift, die tödliche Dosis
Leben.

Wendepunkte

Menschen gehen
entlang der Strömung
und ihr entgegen
manche suchen den
Widerstand, manche
erkennen Widerstände
die Reibung erzeugt
Energie, in der Leere
des Raums ist plötzlich
ein falsches Echo zu
hören, allein die Herkunft
ist noch unbekannt, wahr
aber die Stimme lässt
sich nicht leugnen, sie
macht dich² kurz wichtig
und dann ist da so etwas
wie eine Bedeutung oder
ganz viele oder etwas
was eben undefiniert
war
und jetzt
einfach nur gut ist (werden wird)
und verständlich, aber
nicht so, dass man es
in der Wikipedia
aufnehmen könnte
es gibt keinen Anker
nicht den einen Begriff, kein Wort
Raum und Zeit sind plötzlich egal
aber nicht beliebig, waren
nie so elementar wichtig
der Wendepunkt schaltet
Naturgesetze aus, und
ein ›Wir‹ schaltet sich ein
danach verliert man kurz
alles, nicht weniger als
die totale Kontrolle
Machtkomplexe schweigen
dann kommen das Neue
der Aufstieg und die
vielen Fragen, die
alle (un-)wichtig richtig
sind, die Stille wird
zur belebten Distanz
die Ambiguität des ›Du‹ spricht
durch uns durch und durch dich
in der Nähe des ›Ich‹
sprechen er oder sie noch
durch die Figur, sprechen
noch mit dir, mit ihr oder ihm
sie sprechen uns nach
zumindest
glauben wir das, dann
der kalte Entzug und
dann brauchen die Papageien
die neue Dosis ›Mensch‹
damit man überall dort
wieder so stark wird
wo man alleine
nicht Zuhause, und
wo man ohne den Schwarm
so viel
weniger ist.