Ein Kaffee, Arcaden – Nachwort

Die Textteile, die auf der Website clementines.world zwischen dem 9. Dezember 2022 und dem 18. Juni 2023 unter dem Schlagwort Ein Kaffee, Arcaden veröffentlicht worden sind, wurden ursprünglich am 2. August 2022 in einem DIN-A5-Heft in Echtzeit in einem Café und in meiner Küche geschrieben. Das Experiment wurde im Anschluss an einen Einkauf in den Arcaden in Köln-Kalk begonnen. Bei der Abschrift wurden redaktionelle Eingriffe vermieden. An einigen Stellen waren Ergänzungen, die Umschrift oder die Anpassung von Zeilenumbrüchen notwendig oder sie wurden nachträglich für sinnvoll erachtet.

Dadurch, dass diese Sprache unter einem hohen Zeitdruck entstanden ist, bleiben die Aussagen stark fragmentarisch und sie stehen teilweise für sich. Gleichzeitig ist die Anlage der Aussagerealität von dem Übergang der äußeren Wahrnehmung ins Innere der Sprache und zurück auf das Papier geprägt. Im Rückblick fällt auf, dass an manchen Stellen stark mit Phrasen, Worthülsen oder mit stereotypen Redewendungen gearbeitet wird. Der Prozess des „Freischreibens von kultureller Konvention“ wird begleitet von einer selbstreferentiellen Reaktion, die dialogisch innerhalb des Textes agiert. Der dokumentarische Charakter des Textes wird dadurch gleichzeitig bestätigt und in Zweifel gezogen.

Die letzten drei Seiten…

…müssen noch ein Highlight bringen

> Wohnung teuer
> Heizen muss man nicht
> kalte Dusche > härtet ab
> Krieg > löst das Rentenproblem

Kurzer Blick auf die Uhr
überlege, ob ich die Solo-Party
noch verlängere, so wie früher!

Melancholie
in Gedanken ist so viel bei mir
der Kioskbesitzer sieht die Realität
und denkt/denkt er nicht (?): Der Typ ist dekadent!

Schlafstörung überwunden

Scheiß auf den Erwartungshorizont
ich erwarte nur dich, mich und uns
> kein Druck
>> keine Relevanz
>> kein Instagram
>> einfach Leben als Verkäufer:in bei DM und ich auch oder Kunst
> das Ich ist so stark in diesen Jahren
>> Beschluss: Suche das Du

Habe noch 7 Minuten und
1 Seite, um die Echokammer
zu sprengen.

Überlege mir Fragen, will ‚unique‘
sein, aber muss ich das?
> Meine Schizophrenie ist die Gesellschaft.
> Morgen frage ich einfach: Wie geht’s – ohne Erwartung.

Man muss nur man selber sein (frei nach Eko Fresh)
aber wer macht das schon?

Ich suche die Sprache, sehe die
Menschen und liebe die Stunde
in der sie alle bei mir sind.

Alle, heute, jetzt.

am 2. August 2022, Ende um 23:56 Uhr

Köln-Kalk-Maskulin

Habe ein Foto mit einem Star
besser als Sex, das wäre too much
Köln-Kalk-Maskulin
West-Berlin-Ehrenwort
denke an Eco-no-money

draußen ist es warm
das Sommerloch
ist jetzt auf Tinder
und swiped (?) nach links
genetische Selektion
der Algorithmus
steuert das Kükensterben
Heidi Kl*

Anmerkungen zum ›Du‹

Seit gestern
fehlen mir fünf Worte
mindestens, sie fallen
mir einfach nicht mehr
ein und ich könnte sie
sowieso nicht so sagen
wie du sie gesagt hast
verstanden habe ich
fast nichts wörtlich
alles nur im Sinn, also
jenseits von Worten
wartet ein Streifzug
durch dein Gesicht
und durch meins, ganz
plötzlich muss ich Lachen
die Freude kommt
ohne Vorankündigung
gerade deshalb ist sie
das, was sie ist, und gut

im Zähler waren wir
sehr unterschiedliche
Konstanten, im Nenner
sind wir ganz klar vereint
nur verstehe ich die
Mathematik seit heute
nicht mehr so, wie ich
sie mal gelernt habe
dieser Verlust ist kein
Problem, sondern
eine Bereicherung
von allem, was da ist
bist du die Größe
und ich bin größer
mit dir, ohne dich
bin ich nicht schlechter
aber eben ein anderer

der Dialog hätte lange
für ewige Zeiten so
weitergehen können
allein, dann hätte ich
heute
kein einziges Wort
mehr, um dir zu sagen
dass du das noch mal
so machen sollst, denn
da, wo du bist, ist
immer schon ein ›Ich‹
das mir gefällt, wenn
es schweigt, spricht
oder dich einfach nur
bewundert.

Endspurt

Wer jetzt noch auf
Stringenz hofft
den bewundere ›Ich‹
höchstpersönlich
nur nützt das niemandem
keinem, keiner, keines
NADA – MEXICO (Hoffnung, Versailles)

Der alte Mann und das Bier
ein Tag in den Ferien
woher kommt die Sprache
nicht aus der Story

Privilegierte Weiße feiern alles
vor allem sich selbst

Der Kiez brennt (2009)

Kurze Nachricht nach HH
der Kiez brennt 2009
und heute ist man froh
dass der Heimweg von damals
nicht gefilmt wird.

Suche den Dialog
in den Gedanken
Hans Albers
man macht auch viel Scheiße
besser, wenn sich niemand…
das Internet vergisst nie

Makrele sucht Fischer

Europa

Ein mögliches Ende der Realität

Um 23:38 Uhr stellt der Verfasser
fest, dass die Fortsetzung der
Realität schwerfällt.

An dieser Stelle würde er
gerne eine Sprachnachricht
aufzeichnen, zur Überbrückung.

Da das an dieser Stelle
und auf dem Papier
nicht so leicht fällt,
hier die Aufforderung:
Schicken Sie ein „Hallo“ an
einen Freund & Familie