Irgendwo swipen Menschen
nach links oder rechts, es ist
eigentlich egal, jedes Match
lässt sich mit Jägermeister
zum Volltreffer machen, wir
vertreiben die Einsamkeit
wie Borderliner der Stadt
weil wir Angst vor der Liebe
und vor echten Gefühlen
haben, verweigern wir die
Verantwortung, wir werfen
uns, das, die gemeinsame
Zeit in den Müll, Fehlgeburt
des Algorithmus, dass wir
uns treffen, wäre ehrlicher
wenn wir es nicht täten
oder zumindest auf einem
Autobahnparkplatz
Die Digitalität hat uns
verstümmelt, Geburten
entstehen aus geplanten
Illusionen, wir betrügen
uns selbst und du dich
mach dir nichts vor, ich
bin nicht an dir interessiert
nur an deinem Bedürfnis
nicht alleine zu sein, ich
suche die Macht und
deine Ohnmacht geilt
mich auf, denn ich
erkenne nicht, dass
es mir genauso geht
Alle haben einen wichtigen
Beruf und ein tolles Leben
manche hoffen auf Sugar
Männer und Frauen suchen
das Aufstiegsversprechen
auf einer Funktionärsparty
ich dachte, die DDR wäre
ein verlorener Sieg in der
deutschen Geschichte
setzt man offensichtlich
auf Konstanz oder auf
die ewige Wiederkehr
der Nibelungen, ich bin
eifersüchtig, die Macht
des Helden ist unbesiegt
er fährt ein Auto, hat
mehrere Frauen, lässt
Kids für sich dealen und
feiert den Profit gegen
den Staat und mit ihm
das ist die Paradoxie
…
die Konstellation lässt
sich inzwischen auf alle
Geschlechter anwenden
sie ist universell, mehr
als die Menschenrechte
offensichtlich suchen
Menschen nach Macht
Unterdrückung und
Herrschaft durch
Dominanz, ich swipe
nach links und fühle
mich bedeutungslos
bin ich Herr oder Knecht
oder einfach die Dame
auf dem Schachbrett
die Partie geht gerade
erst los, alle sind
gespannt, alle?
–
Nun ist es jetzt so, dass
wir uns treffen jenseits
von Apps, Telefonen und
dem ganzen Internetgedöns
das ist für sich genommen
gefühlt schon ein Weltwunder
der Moderne, aber ich neige
zur Übertreibung, du auch
wir lachen und träumen
davon, dass wir unbesiegbar
in den Weltraum segeln
wir sind eigentlich fragile
Menschen, die sich von
der Gruppe entfremden
man kann so schlecht zu
Algorithmen tanzen, wenn
dann geht nur Marsch und
marschieren können wir
beide nicht, unsere Füße
tun weh von der Arbeit
ich höre dir zu und du
erzählst gute Geschichten
dass es das noch gibt, kein
Chat, keine Floskeln, nur
das Leben genügt für
den Moment, in dem wir
auf das Spaghettiwasser
warten, das frische Pesto
ist der einzige Luxus, den
wir uns leisten, wir verzichten
auf den Parmesan, eigentlich
des Geldes wegen, aber so
können wir vorgeben, endlich
vegan zu sein, und das spricht
auch für unseren Wohlstand
…
du erzählst davon, dass du
auf den Helden gewartet hast
und ich bin überfordert, aber
vielleicht auch nur im falschen
Film, denn wir leben nicht
in den 1990ern und das
obwohl wieder Krieg ist
…
in drei Tagen werden wir
uns wiedersehen und
in der Zwischenzeit bricht
der Kontakt ab, aber wenn
wir zusammenkommen
dann bringen wir uns die
Verantwortung zurück
und dazwischen beherrscht
uns das Vertrauen, dass man
die Erinnerung nicht einfach
durch Sequenzen der Freude
zu einer selbstvergessenen
Phrase des Seins werden
lässt, irgendwo kann man
einfach so leben, echt.