In der Winterzeit
hält man sich besser
zurück mit der Kritik
das Essen schmeckt
die Geschenke sind
alle genau das, was
man sich immer
ewig gewünscht
hat, was man jetzt
braucht und
dann in 14 Tagen
bei *bay einstellt
schlimmstenfalls
zu verschenken
damit es einfach
jemand abholt
wenn das nicht
passiert, dann
wandert die
Totgeburt
in den Müll
…
es gibt natürlich
Menschen, die
nicht einfach nur
reich sind und
die sich nicht
darüber aufregen
dass man das
ganze Spielzeug
-meer nicht mehr
aufgeräumt
bekommt
…
wenn man
bedürftig ist
dann kann man
sich vermutlich
noch richtig
freuen
ohne Drogen
…
ich möchte
das nicht hören
ich möchte, das
alles so bleibt
wie es früher
war, warum
darf ich
keinen
Weihnachtsbaum
aufstellen
…
Ausbeutung der
Natur zu welchem
Zweck
…
aber es soll sich
nichts verändern
…
aber es muss
sich alles
ändern
…
nicht alles
der Mensch
bleibt
…
die Menschen
bleiben
Plural
…
aber die Rituale
…
sind wir jetzt
doch ein Urvolk
was ist
mit Fortschritt
mit Evolution
mit
…
die Angst vor dem
neuen Leben ist sehr
groß, Eltern fürchten
die Revolution ihrer
Kinder und schicken
sie Zigaretten holen
…
Kinder rauchen
und kommen
mit der leeren
Packung zurück
…
bitte rede nicht
wieder über Politik
ich will nicht über
Politik reden, ich
bin ‚Demokrat:in‘
und gehe schon
wählen, das ist
meine Pflicht
…
alle sollen nicht
die A*D wählen
heimlich tun es
schon viele; in
ihren Gedanken
das Verbotene
hat seinen Reiz
…
bitte sprich nicht
wieder über Politik
nicht an Weihnachten
das gibt nur Stress
hier ist die Welt noch
in Ordnung, der Baum
die Lichter, die Kugeln
das CHRISTUSKIND
…
Kindergeburtstag
…
aber unsere Ordnung
ist doch gut, ich habe
mich immer an alle Regeln
gehalten, nie das gemacht
wonach mir der Sinn stand
ich habe keine Leidenschaft
ich mache alles für Geld
für die Familie, für das Bild
meine Rolle ist an der Spitze
ich bin eine Führungskraft
Führerhäuschen stehen
im Konkurrenzkampf
die Held:innen werden
getrieben, von der Familie
zum Lanzenstechen
…
Spieglein, Spieglein
wer ist der reichste Prinz:essin
und wer ist seine Prinz:essin
wer ist seine Putzfrau
wer hat Angst vor der
Genderpolizei, warum
sind immer noch die
reichen, starken Soldaten
gesucht – im 21. Jahrhundert
warum setzen sich nicht mal
die Geschlechter dieser Welt
zusammen und regieren sich
zu Gleichheit und Harmonie
nur weil irgendwo jemand
Merci*des fahren will
immer, immer, immer
…
die linke Idee ist
gescheitert
an der Kreuzung
versauert die Revolution
da die Schlange von rechts
kein Ende nimmt
…
Adolf Swift singt sein
Lied im Radio
die Massen jubeln
und feiern
ihre Untertänigkeit
…
der Clown lacht
und schießt sich
einen Lutscher
durch den Kopf
…
bilden Sie keine
Rettungsgasse
–
Frohes Fest.
Wintermorgen
Auf einem LKW
bringen sie Tannenbäume
surrend über die Grenze
der Diesel raucht
schwarz in das Dunkel
denn es ist noch
sehr früh und
auch kalt, die eisige
Straße versucht
einen langen Stau
später, wenn die
Pendler sich auf
den Weg gemacht
haben werden;
am Steuer sitzt
ein Mann mit
einer E-Zigarette
er raucht mechanisch
nicht so genüsslich
wie man es aus Filmen
kennt, vermutlich ist er
im Zwischenraum
zwischen Rauchen ist
tödlich und meine
einzige Leidenschaft
stehen geblieben
jetzt dampft er
in den Morgen und
versucht, nicht
ständig auf sein
Smartphone zu
schauen…
Es blinkt ja doch nicht.
Am Mittag hat er
die Bäume abgeladen
er bekommt 100,- Euro
Handgeld und einen
billigen Glühwein
für die Rückfahrt
auf der er ein Lied
von Lindenberg
im Radio hört; dann
denkt er an Berlin
und hofft auf die
Freiheit.
Dreißig Jahre später
ruft sie ihn an, sie
verabreden sich
für Heiligabend.
An der Tankstelle
kauft er Zigaretten
für die Rückfahrt.
Alles danach
wird Geschichte.
Ich bin kein Poetry Slam
Sie haben gesagt
geh doch mal lesen
stell dich der Crowd
hau einen raus
oder
stell fest, dass
du einfach nichts
bist – für sie
…
ich wollte ihnen
antworten
widersprechen
sowieso
ich wollte hin
irgendwann
aber
ich bin
nur
ein Gedicht
kein Leben wie
sie
ungefiltert.
Sprache, ja!
Ein Impuls ist da
mindestens ein Wort
die Buchstaben
bilden eine Kette
manchmal kommt
ein ganzer Satz
woher, darüber
wurde lange
nachgedacht
ich denke aber
immer voraus
deshalb
bin ich kein
Kind der Philosophen
was ganz gut ist
wir schreiben uns
frei, nicht
therapteutisch
einfach so
weil es geht
so
wie man zum
Friseur geht
…
die Haare werden
weniger
aber noch bleibt
was zu kehren
…
noch.
Heilige Marke
Ich möchte
endlich mit dir
eine Ewigkeit
gründen
aber
wann
sprichst
du endlich
das erste Wort
und wann kann
ich mich dort
mit dir
erwarten.
In drei Tagen
Komm, wir gehen
dorthin und dann
wird es uns
nicht wieder
trennen
…
du hast
vergessen
dass wir
kein
dorthin
mehr
haben
…
wir haben
nur hier und
jetzt
…
na gut.
Schattenspiele im Wald
Es war einmal ein kluger Fuchs namens Ferdinand, der in einem Wald voller vielfältiger Tiere lebte. Die Tiere des Waldes hatten sich zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, um ihre Interessen zu vertreten und für ihre Rechte einzutreten. Ferdinand war ein Mitglied dieser Gemeinschaft, die von einem Ratsgremium geleitet wurde.
Der Waldstaat hatte einst die Idee gefördert, dass Bildung und Kultur für alle zugänglich sein sollten, um eine gerechte Gesellschaft zu schaffen. Doch mit der Zeit entstand eine Unwucht und die Tiere blieben oft ungebildet und unpolitisch. Manche glaubten dennoch, dass sie klüger als die anderen waren und fühlten sich deshalb zu Höherem berufen.
Man hatte sich über die Jahrhunderte an vier Jahreszeiten gewöhnt. Doch seit einigen Jahren kam eine fünfte Jahreszeit hinzu, die alles durcheinanderbrachte. Einige suchten nach den Ursachen und vermuteten, dass die intensive Rodung der Baumbestände zu viel Sonne auf den Waldboden brachte. Andere vermuteten eine göttliche Kraft, die sich gegen das Waldvolk verschworen hatte.
In den Institutionen des Waldstaates geriet inzwischen alles durcheinander, weil die Waldbesiedelung völlig umgekrempelt wurde. Die Schattenplätze wurden rar, der ganze Wald war plötzlich in Bewegung und die alte Ordnung wurde umgestoßen wie ein Holztisch voller loser Blätter. Natürlich verstanden sich die Tiere untereinander nicht sofort.
Der kluge Fuchs Ferdinand fand, dass die Gemeinschaft der Tiere, trotz ihrer guten Absichten, nicht alle Mitglieder gleichermaßen repräsentierte. Ferdinand, der die Sorgen und Nöte vieler Tiere kannte, fühlte sich von der Gemeinschaft nicht angemessen vertreten.
Der Rat und der Waldstaat, die einst für Gerechtigkeit und Chancengleichheit standen, schienen nun die Interessen der Unsichtbaren zu vertreten, die die feudalen Machtstrukturen nutzten. Die kapitalistischen Patriarchen beuteten alle aus, wobei einige etwas weniger ausgebeutet wurden als andere.
Ferdinand verstand, dass man als Waldgemeinschaft nicht in der Lage war, sich dem Kampf gegen diese mächtigen Strukturen zu stellen. Gleichzeitig war der Wandel bereits in vollem Gange und als Vertreter des Staates musste man längst täglich neue Wege finden, um die alte Hoffnung auf Gerechtigkeit wiederherzustellen.
***
Eines Tages beschloss Ferdinand, den Tieren im Wald einen offenen Brief zu schreiben.
Yo, liebe Leude im Wald,
ick bin der Ferdinand, dit schlaue Füchslein, wat hier in’n Wald für‘n Waldstaat ackert. Wisst ihr, dit war mal ’ne honore Idee, dass alle hier im Wald die gleiche Chance ham sollten, wat Wohnung, Essen, Bildung und Kultur angeht. Aber ick sag euch, det lief zuletzt nich mehr.
Ick hab’n guten Job, aber die Jungs und Mädels, die dit Ganze schmeißen sollen, die sind oft voll überfordert, stur und unpolitisch. Und se verstehen nicht dit sich allet ändert, dit is voll Banane. Weil et manchen och noch zu jut jeht, aber andere eben nich. Et is alles aus’m Gleichgewicht wie überall. Alles voll im Dispo, aba noch nich janz abgerauscht.
Mittlerweile hat sich ’ne Schicht rausgekristallisiert, die sich durch fancy Shopping celebriert. Und ick jehör ja dazu…
Aber ick hab och dit Gefühl, ick mach mit bei ’ner Show, wo ick am Ende weniger Kohle ziehe. Dit is double frustrating, ick muss de Jewinnern helfen, aber jehör och nich‘ zu de wirklich arme Leute.
Mit ’nem schweren Kopp sag ick Tschüss und such mir ’nen neuen Weg, um uns hier im Wald mal janz anders zu verstehen.
***
BEKANNTMACHUNG AN DIE EINWOHNENDEN DES WALDSTAATES
Die in dem Schreiben von Fuchs Ferdinand enthaltenen Inhalte manifestieren offenkundige Anhaltspunkte für eine Desavouierung der herkömmlichen Regularien und Standards des hiesigen Gemeinwesens und ergo eine latente Gefährdung der sozialen Ordnung sowie der strukturellen Stabilität.
Der Initiator des genannten Schriftstücks, Ferdinand, hat sich offen gegen das übergeordnete Beschlussorgan und die konstituierten Ordnungsprinzipien des Wohn- und Gemeinschaftsraumes „Waldstaat“ positioniert.
Als Konsequenz wird festgehalten, dass das Handeln dieses Taugenichts als potenziell destabilisierend für das gemeinschaftliche Wohlergehen interpretiert werden muss. Eine unverzügliche Separation und Transferierung in eine geeignete Institution zur psychologischen Behandlung wird angeordnet.
Nachahmenden wird gleiches widerfahren.
Ein dreifaches: Glück Kauf!
***
Dort sitzt er nun, der Deserteur, die Wände halten seinen Geist zusammen. Die Ungerechtigkeit überwacht ihn täglich und das fühlt sich wie eine neue Ewigkeit an. Tage verschwimmen in einer tristen Monotonie, doch der endlose Wirbelwind im Kopf sucht die Freiheit im Fuchsbau. Die Harmonie des Urwaldes und das Rauschen der Bäume bleiben in der Erinnerung ein brennendes Licht. In der Phantasie lebt die Hoffnung auf Gerechtigkeit.