Er geht auf
dem Kopfstein
-pflaster
immer der Nase
nach, bis zur
letzten Bäckerei, die
noch offen ist
und sie begrüßt ihn
herzlich, obwohl
die Lage ernst ist
holt er drei Brötchen
und fragt, wie es
ihrer Lebenspartnerin
geht, sie hat seit
gestern keinen Zugang
zum Internet
mehr und jetzt sei
die Lage kurz
unübersichtlich, aber
sie sei eine tapfere Frau
und er ist unsicher
wegen ihr, wegen sich
und wegen der Unterhaltung
obwohl niemand dort
ist, fördert die Technik
das Misstrauen nicht
gegen sie oder sich
aber gegen alles sonst
nur heute
lässt er die Überwachung
im Nirgendwo stehen
und schaut der Frau
vertraut in die Augen und
sie lächeln sich mutig an
und wissen, dass es
eine andere Zeit geben
wird und das System hat
keine Chance
die Propaganda bleibt
heute ausgeschaltet
…
im Nirgendwo weint
ein lebloses Wesen
weil es nicht mit den
anderen lebt.
Copy Waste
Vier Menschen
treffen sich im ideenlosen
Raum und schließen
die Türen hinter sich
sie versuchen miteinander
zu sprechen, aber
sie hören sich nicht
und dann fällt
–
der Strom aus
jetzt sehen sie nichts
mehr und sie sind
verwundert, dass
sich noch immer nichts
geändert hat
dann ist der Blackout
vorüber und die
Türen gehen wie
von Zauberhand
wieder auf und
sie verlassen den
Raum
…
nach einer Weile
kommen sie wieder
und sie treffen sich
Immerhin! Etwas funktioniert…
sie bringen Bücher
mit und sagen
da stünde etwas
geschrieben, das könnte
man doch übernehmen
also nicht Wort für Wort
aber die Ideen seien gut
und man könnte ja dann
in eigenen Worten so
oder so ähnlich eine
eigene Idee daraus
produzieren und
bestenfalls bekommt
niemand die Verschlüsselung
mit, denn es seien ja
ohnehin unbekannte Texte
von Menschen, die
schlecht in der Schule waren
und sich dann was Nebenbei
verdient haben, durch ihre
Laienkunst
…
nach 3 Jahren
erscheint das Werk
unter dem Titel
›Die Ursprünge des Chorgesangs‘
es gibt eine große Party
alle sind besoffen oder
noch besser: KOKAIN
es gibt einen Preis
die Naiven feiern
sich selbst und
kotzen im Kanon
das ist die eigentliche
Kunst.
Samstag, abends
Ein Mann in
einem blauen Sweatshirt
– kenne das deutsche
Wort dafür nicht –
liegt auf der Fensterbank
im dritten Stock
Remscheider Straße
es ist eine laue Sommernacht
nebenan ist eine ausgezogen
gegenüber sind welche
angekommen zwischen
den Häuserreihen, die
inzwischen mit Graffitis
auf die letzte Stunde
vorbereitet werden
eine Krake oder
ein Oktopus ist
bald fertig, am Ende
der Straße wartet
ein Native und ich
frage mich nicht, ob
man hier von kultureller
Aneignung oder Darstellung
sprechen muss oder kann
kann ich heute nicht leisten
überhaupt ist es ein
schwerfälliger Tag, der
Rhein singt eine Ballade
der Wind windet sich durch
die Geländer und die Brüstung
gerät nicht ins Wanken, sondern
sie führt einen Dialog im
Widerstand mit der
Strömung fahren die
Schiffe in zwei Richtungen
die Spaziergänge tun es
ihnen gleich, ein Mann auf
einem Fahrrad fährt
seinen Müll zu einer
öffentlichen Mülltonne und
er wirft einen schwarzen Beutel
aus Plastik in einen großen
Container, in den ich wenige
Minuten später mein Kaugummi
spucken werde
…
ich rieche nichts
aber es ist eine laue Sommernacht
ich denke an alles, gleichzeitig
es ist ein gutes Gefühl, aber
ich profitiere vom blinden Fleck, der
sich seit gestern und einigen Wochen
breit macht wie die Wunde des Helden
der eben doch nicht unverwundbar
nicht unbesiegbar ist, weil er
ein Mensch bleibt
bis zuletzt sprechen wir
über die einfachen Themen
und jetzt
spüre ich die Stille, weil du
wie eine Droge wirkst
die Linderung verspricht
gegen Schmerzen, die
ich längst nicht mehr
zu spüren geglaubt hatte
…
die gute Menschenseele
macht mich glücklich, das
ist ein Fakt, auch wenn ich
mich für einen Esoteriker
halte, bleibe ich
bei der Sache und
rufe dich an
…
die Mülheimer Brücke
wird saniert, im Bus
treffe ich eine Frau, die
ein aufgequollenes Gesicht
nicht unter der Schminke
verbergen kann und
ein Mann am Fahrrad
wirkt abgearbeitet
und ich dachte, dass
das Gesicht längst
Geschichte sein
müsste oder war
…
ich steige aus und
habe dich nicht
erreicht, aber
irgendwie doch
…
die Schule wirkt
verlassen, die
Menschen
– auch, aber
der labende Wind
trägt den Staub
aus den Straßen
die neue Zeit
wird großartig
bis wir sie
erleben, vergehen
noch drei Tage
dann sind wir
unendlich
ganz kurz
…
das Telefon
klingelt
die Nachbarn
stehen in der Tür
und besprechen
das Fastenbrechen
obwohl alle Männer
getauft sind
…
ein junges Paar
repräsentiert sich
gegenseitig die Rolle
der alten Welt
…
wir sind
das Morgenland
nicht heute, aber
bald.
Blicke
Im Bus
sitzt ein Kind
und sein Vater
sitzt auch
sie wechseln sich
ab, das Spiel auf
dem Handy
kommt mir
nicht bekannt
vor
ich fühle mich
alt
…
bei einem Umzug
flüchtet eine
Schildkröte aus
einer Blechdose
sie wird wieder
eingefangen
…
ich schaue
zu dir rüber
sie schaut zurück
wir fühlen uns wie
zwei Albatrosse
in der Großstadt
…
seine Augen
folgen der Anzeige
er kann sie trotzdem
nicht lesen und
drückt prophylaktisch
…
beim Bäcker wundere
ich mich, wieso es
manche Fremdwörter
leichter haben, sich in
der Alltäglichkeit zu
behaupten
…
ich denke an gestern
es fühlt sich wie
fliegen an
…
an der Bushaltestelle
steigt ein Mann in einem
Rollstuhl zu und lacht
wir reden kurz miteinander
über Billy Talent aber
ich bin spät dran, steige
an der nächsten Halte-
stelle aus und werfe
dir einen
flüchtigen Blick zu
in der Zukunft
werden wir einander
ein Vermächtnis sein
– oder nicht.
[…] „die Zukunft ist
eine Sache
für Optimisten“, sagt sie
lacht und ich
werde es auch tun
wenn wir uns
wiedersehen.
Die Hauptnahrung
von Albatrossen sind
Tintenfische – ich schreibe
ein Gedicht, so wie mir
der Schnabel gewachsen
ist, aber ich habe
keine Hände und du
singst auf dem Heimweg
es ist eine
fröhliche Zeit, die Menschen
bewundern uns nachmittags
um 4 Uhr, weil wir
Helden sind.
Mit Mütze, mehr nicht
An der Bushaltestelle
friert man nicht mehr
denn das Frühjahr
zeigt sich milde
im Übergang
lenkt ein seichter Regen
die Aufmerksamkeit
auf die Übergangsjacke
für einen Schirm
ist es nicht zu windig
sondern einfach
zu wenig nass
und irgendwas
sucht die Nähe
zur Natur
statt Abgrenzung
und in der Ferne
putzt ein junger Mann
die Fenster für
eine alte Frau, sie
raucht derweil
genüsslich eine
lange Zigarette
der Teer lagert sich
in Sekundenlangsamkeit
auf dem verdichteten Organ ab
das man medizinisch
eine ‚Raucherlunge‘ nennt
sie trinkt einen Schluck Milch
und freut sich des Tages
der schon seit Monaten
jeden Morgen ein letzter ist
nach der Aussage
verschiedener Ärzt:innen
stirbt die Hoffnung
auf einem Röntgenbild
die Frau und der Helfer
essen ein Stück
frischen Erdbeerkuchen
mit Sahne
und sie sagt: „wenigstens
kann ich jetzt in Ruhe
fett werden“
und der Mann lacht
weil er gleich
noch
zum Sport gehen
wird.
…
Eine junge Frau
beobachtet die Szene
an einer Bushaltestelle
sie trägt eine Mütze
mehr nicht.
wichtig, ganz wichtig
memo an die
eitelkeit
wichtig, ganz wichtig
dass man
indiependent
bleibt
denn wer so
opportun und
selbstgefällig
dass die Languste
die Auster küsst
erstickt an der Gräte
der eifersucht
…
schreib so
wie du fickst
oder iss öfter
mal ne gurke
zum frühstück
…
der Haubentaucher
hat den schnorchel entdeckt
er feiert die innovation
und legt sich
eine infusion
mit blingbling und
glitzer
strahlt die atomare
ewigkeit
im falschen lächeln
der preisträger:innen
und ihrer hofbegleitenden
die literatur sucht derweil
die exitstrategie
für die kritik
der vernunft
…
im hof
steht ein koffer
mit 10.000 mark
nimmst du ihn mit?
…
leistungsmenschen
maxkrusedilemma
popkultur
ökobauernhof
recyclingfascism
odereinfach
sauberbleiben
…
in der arktis legt das eis
eine schwarze weste
frei
…
sie wird meistbietend verkauft
an den jubel des identitären heimatvereins
der noch immer heldenlieder singt
und an der gulaschkanone über
die ‚zigneuerlösung‘ grübelt
…
einer hat sich entschieden
sie machen jetzt
gutetatenfürdiewelt
ohneinstaccountund
tikitiktoktakitika
…
ach, es ist so gutes wetter
auf der veranda
lieben sich zwei
libellen und ein delfin
wandert durch die tracheen
bis in den serverraum
um dort ein
käsebrot zu vernichten
…
dann zieht sich ein
kritiker eine brille auf
und ein professor sagt
es sei wirklich ein
herausragendes jahr
für neue gedichte
…
dann lieben sich
zwei buchstaben
und
produzieren
ein betabet
…
der keim erstickt
am komma
während ein
semikolon noch
die brücke der
bedeutung
restauriert
setzt der
punkt sich selbst
ein ende
…
kulturschaffende
feiern sich derweil
selbst und verleihen
fünf gelbe sterne
in deutschland
für
herausragende leistungen – schweigen
zur nationalen kultur – applaus
die kirschbäume blühen
ein vogel kackt auf
das zielfoto
und ein gabelstapler
sortiert die luft
für die klassengesellschaft
.
bleiben sie sauber
bleiben sie unabhängig
bleiben sie mensch
bleiben sie bedeutungslos
sonst droht der ruin
…
die grammatik führt
eine toxische beziehung
zu einer studienfreundin
und ein arzt sitzt daneben
und staunt
…
inzwischen sind sie alt
sie sitzen noch immer da
im fernsehen hält einer
einen pokal hoch
er hat statische gedichte
geschrieben
er ist der deutsche geist
den alle als heiligenbild
auf ihrer iris tragen
und niemand spricht
über das offene geheimnis
das innen, ganz tief
als hoffnung sitzt
…
ein fremdes königreich
erschießt zwei demokrat:innen
sie haben nur
eine anmerkung gemacht
…
ich habe heute kein foto
für dich, aber botox
…
eine leihmutter
verliebt sich in das kind
sie wird erschossen
…
der preisträger
hält den jungen
jubilierend in die menge
und er feiert die
märtyrerin
…
und sein gewissen
feiert sicht selbst
…
alle jubeln
…
der frühling
lässt mich vermuten
dass alles nur ein böser
traum ist, aber
sind träume nicht manchmal
die eigentliche realität
…
ein nashorn
freut sich in einem heißluftballon
darüber, wie schön das rheinland ist
und der ewige narr
singt ein lied ohne text
seine zunge wurde
für die ewigkeit präpariert
der mann
macht seine sache
trotzdem sehr gut
er ist ein
stachel im fleisch
der absolutisten, die ihre
kinder zum politischen
inzest verpflichten
…
morgen wird sich
alles ändern
…
ach, wie gut
dass niemand weiß
dass das alles nur
erfunden ist
…
der tennisschläger
ist beim eishockey
kein vorteil, aber
ein statement
…
einer lacht ohne zähne
und hält die rote fahne
in die luft
sie freuen sich
dass mal wieder einer
so viel liebe zeigt
und
drei kinder schreiben anmerkungen
in bücher von marx
und
erzählen niemandem
ihr dunkles geheimnis
…
sie werden sie jagen
weil sie Alternativen sind
sind sie eine gefahr
für wen eigentlich
…
schafft alle preise ab
sie machen nur
unglücklich
…
oder befangen
…
oder beides
…
das telefon klingt
unbekannte stimme
er sagt: „hallo hier kruse, wer da“
und sie sagt: „aber du hast doch angerufen“
er sagt: „hä, wie genial!“
eine dritte stimme sagt jetzt: „legen sie bitte auf,
wir erwarten einen wichtigen anruf aus
dem himmelreich der genies“
beide zeigen verständnis
und dann
reißt der kontakt ab
…
eine auskunft
gibt es nicht mehr
das telefon ist jetzt
ein autoscooter den
man trinken kann
…
ich schieße eine
Rose für Rosa.
Unbesiegbar
Es ist eine
ruhige Geschichte
wenn du die Flugzeuge zählst
denke ich an Erdbeermarmelade
und draußen liegt ein Hund
in der Sonne und denkt
an ein lustiges Katzenfoto
das Gemüse kommt frisch
von den Feldern aus
dieser Region und es riecht
nach Vitaminen und nach Natur
die Nudeln warten darauf
ins Wasser zu fallen
und die Sonne
kündigt den Sommer an
wir denken zusammen daran
drei Tage werden wir
uns daran erinnern, dass es
niemanden gibt
der uns das Salz nehmen kann
…
wir sind unbesiegbar
das Jetzt kocht sich weich
du kommst durch die Tür
es riecht nach Zuhause.