Einrichtungen

Mein Zeugnis
sagt mir und der
Abteilung Human Ressources
dass ich ein kluger Mensch
bin, aber kein Genie
eine Lücke in der
makellosen Biografie
findet sich immer
und ich habe Angst
dass mein geringer Status
noch geringer wird
die Verhandlungen
führen Verlierer und
der Vorstadt
erhöht seine Gehälter
um 15%
weil oder obwohl
das Defizit dieses Jahr
bei 297.200.403,10 Euro liegt
der Streik schafft es
in die Presse
die Arbeiter:innen
haben die Arschkarte
wie immer

alle wollen gerne
oben stehen.

Staub

Die Autobahn
führt hinein in die Stadt
die Menschen flüchten
in ihren Geschossen in
den Tag, die Arbeit
sie hoffen darauf
das Leben zu finden
und vergessen
dass es
nicht der Gummiabrieb
der Reifen ist, der
ihnen das
nächste Glück
ankündigt, sondern
der Moment
wenn sie
einen Parkplatz
gefunden haben
werden (Zukunft)
und ein Spatz
singt derweil
eine Hymne auf
das Tulpenfeld.

Dialog zwischen zwei Büchern

Sagt der Schamoni
zum Zaimoglu
lass ma zusammen was
machen, was starten
was dichten oder
so richtig krassen
Scheiß grabben

„Man wird sich fragen, woher ich das so genau weiß.
Ich bin keine Nutte oder so.“
Banu, Barfrau, inzwischen vermutlich nicht mehr 33

„Wir sind die Band. Wir spielen hier heute Abend.“
Er schrubbt weiter die Gläser.
Irgendwo in Dortmund, vor einiger Zeit (fiktive Realität).

„Wir pusten in ein langes, grobes ofenrohr.“
Mehmet, damals 29, seinerzeit Dichter, heute Held?

„Drüsen, Botenstoffe, synaptische Kontakte, ein dunkler, weicher Dschungel aus organischen Verbindungen in meinem Inneren. […] Ich trage nur noch schwarz.
Schamoni 2007, professioneller Dorfpunk, begnadeter Musiker, für immer Legende

Was kann man aus der Literatur lernen
fragen sich zwei alte Lehrerinnen
auf einer Parkbank in Köln-Mülheim

die Antwort geht unter
weil gerade ein Bus vorbeifährt
die Straßenbahn bimmelt
einer schaut auf sein Handy
eine andere auch
das Ungeborene auch
jemand liest ein Buch
er hört CDs mit einem Discman
er ist ein Gott, eine Sie oder
einfach ein geschlechtsloser Engel
der sich so durchschlägt
als Held der Erzählung
und er verkauft sich (früher)
und heute Chrystal
seine Geschichte
singt er dem Rhein vor

„Kämpfen oder Klappe halten […] Es ist schon komisch mit den Deutschen. Sie kommen und beobachten stundenlang, aber wenn man sie anredet, dann laufen sie ganz schnell raus.“
Mihriban, 30, Gemüseverkäuferin [ihrer Zeit voraus!]

„Übrigens, vergiss die Kinderfunke und ruf mich an, wenn du magst: 4393784 – Mia.“
Mitschrift von Rocko offensichtlich veraltet oder Zahlendreher drin. Selbstversuch gemacht, geht keiner ran… Mia, wo bist du?

Der Rhein sagt
es gibt heute keine
sichere Wahrheit mehr
aber es gibt in jedem Fall
irgendwo eine
unsichtbare Quelle, die
irgendwie real sein muss

irgendwo muss das
ganze Wasser ja
herkommen, aber
letztes Jahr war es
schon weniger
was passiert
wenn die Quellen in
der Zukunft nicht mehr
liefern, dann
denken wir uns
was auf, dann
erzählen wir von der Stadt
die damals am Fluss lag
und gehen barfuß
über den Schotter auf
die andere Seite.

Der Inhalt konnte nicht gefunden werden

Diverse Angaben
perfekte Lebensläufe
gelungene Textproben
bedeutsame Anlagen
wichtige Verträge
und Gutachten
von herausragenden Menschen
all das kann dem Antrag
nicht beigelegt werden
da er nicht gestellt wird
denn er wurde nicht
gefunden
Aufgabe hat sich somit
erledigt
das Kunstwerk
muss somit
nicht bewertet werden
danke für gar nichts
und
für den freien Tag
viele Grüße an
die Jury.

Machtkomplexe

Spieler vor Fantribüne
sorgt für
erhitzte Gemüter
schlechte Verlierer
treffen auf fragwürdige
Gewinner

es ist ein
seltsames Spektakel
patriarchaler Komplexe
und die Mächte die
hier wirksam sind
sind bedingungslos
auf Unterwerfung
ausgerichtet
wer Gewinner sucht
produziert Verlierer, das
ist die wenig
seltsame Wahrheit
und irgendwo
glaubt noch jemand
an Menschenrechte
und Inklusion
der Leistungssport
kennt nur das Recht
der Stärke
finde dich damit ab
das ist Evolution

unter der Woche fast
geheult, wie ein ›Mädchen‹
schlechte Verlierer
treffen auf, vielleicht
fragwürdige Gewinner
es ist nicht gut, wenn
man Macht akkumuliert
über Jahre, Jahrzehnte
das Geld lässt
keine Gleichheit zu
sondern Unterschiede

wer das Erbe antritt
glaubt schnell, dass man
ein Recht auf die Lücke hat
die Dominanz der
funktionierenden Figur
die Marionette, mit der man
glaubt, dass man eine
freie und egalitäre Person ist
obwohl man doch nur
in den Fängen der
globalen Maschine
ein Spiel für das Volk
produziert

der Vater holt
den Jungen
vom Sportplatz ab
er ist nicht mehr da
sondern im
Nachwuchsleistungszentrum
beginnt die Auswertung
seines Potenzials
und das Programm stellt
fest, dass er bis zur B-Jugend
brauchbar ist, danach
wird das Kind egal sein
verbraucht und
verloren in der Hoffnung
ein Auserwählter zu sein

bringt der armen Sau
mal in Ruhe ein Bier
und ein Leben
es ist doch nur Fußball
und (noch)
kein Faschismus.

Stellenausschreibung

Gesucht wird
jemand der auf 50% arbeitet
und der trotzdem 100 leistet
der sich unterwirft
der nett zu Kollegen ist
und zu Kolleginnen auch
aber nicht so
das soziale Gefüge sollte
sowieso nicht bedroht werden
offiziell sind hier alle verheiratet
aber niemand ist noch katholisch
protestantisch sind alle
wenn man die Arbeit betrachtet
aber darüber wird wenig gesprochen
christlich wiederum ist kaum jemand
denn der oder die Nächste ist
immer ein Feind oder eine Konkurrentin
man muss sich messen, der Maßstab
das Auto, das Haus, die Kinder
ich komme aus einer Handwerkerfamilie
mit meinem Zollstock bin ich geübt
dennoch kapituliere ich manchmal
weil ich die Genauigkeit suche und
weil ich die Ungenauigkeit sehe

früher hat mich das zum Reden animiert
dann lange zum Schweigen und inzwischen
ist es mir egal, ich haue einfach alles raus
neue Freundschaften schließt man ohnehin
nicht auf Knopfdruck oder durch Kalkulation
manche nutzen eine App, aber ich
selektiere ungerne die Filterporen der Herren
und Damen, die alle in Verantwortung stehen
nach eigener Aussage sind alle irgendwo
in leitender Position, fast wie bei den Nazis
jeder hat ein Amt, einen Orden, es ist schrecklich
ich bin gerne kein Resonanzverstärker
aber ich schieße trotzdem zurück
oder ich reflektiere das Nichts
es ist die blinde Eitelkeit
blanke Verzweiflung

habe ein Telefonat mit Katharina geführt
sie lässt schön grüßen und sagt, dass ihre Zelle
geräumig ist und in einem hellen Gelb gestrichen
die Ausrichtung ist gut, es kommt morgens Sonne hinein
mittags wird es nicht zu warm und abends hört man
keinen Verkehr von der Straße, sie arbeitet inzwischen
als Reinigungskraft in einem Betrieb mit dem sie
auch mal nach draußen kommt. Ein Bürokomplex
greift auf die Fachkräfte zurück und bezahlt
für die „Kanaillen“, die „froh sein können“, nun „immerhin“
den Mindestlohn, was zu viel ist, wenn man bedenkt
dass man im Knast natürlich freie Kost und Logis hat
es ist bei den aktuellen Mietpreisen keine schlechte Option
draußen muss man kämpfen, im Knast hat man
seinen Status schnell sicher. Wenn man sich in der
freien Welt behauptet hat, dann sieht man hier
nicht mehr viel Neues. Die Dummen sind
die Verbrecher, die man kriegt
oder die Schlauen.
Sie wird als Heldin gefeiert und leitet
den Gefangenenchor, ganz ohne Zorn singen sie
hier religiöse Lieder und Songs von Mark und Lena.

kommen wir zurück
da sitzt die Kommission
sie sind alle gut gelaunt
es wirkt wie im Kasperletheater
und ich frage mich, wer das Krokodil ist
aber niemand trägt ein grünes Hemd
es ist wirklich schwierig
ich habe den Fragebogen ausgefüllt
es werden genau dieselben Fragen gestellt
keine Überraschungen, es scheint ein Ritual zu sein
ich mache einen kurzen Vortrag daraus
schaue alle an und irgendwie sehe ich
wenig kompetente Geister in diesem Raum
wobei es natürlich positiv ist, wenn man
keine Geister sieht, denn das spricht ja
für die psychopathologische Integrität
es folgt ein wenig übliches Gerede
alle Klischees werden abgefragt
wie geht man mit „Frauen und Behinderten“ um (hier: kein aka)
was kann man zum Team beitragen (aka „wie ordnest du dich unter“)
wie entwickelst du das Fach weiter (aka „wie viel arbeitest du on top“)
was hast du schon erlebt (aka „wieso lebst du nicht so wie alle anderen“)
Reihenfolge geändert, fünfte Frage war belanglos

nach circa 10 Minuten bedankt man sich
keine Fragen, euer Ehren und
ein kurzer Handschlag entlässt einen
in die wilde Maus des Lebens
die nächste Hoffnung kommt einem
im Flur schon entgegen, es ist
ein würdeloses Spektakel
wenn man bedenkt, dass ein
unsichtbares Framing längst
für das gewollte Kind entworfen ist

die Ausschreibung ist beendet
die Demokratie und die Verfassung
fühlen sich verarscht und
ich eile mit einem Sprühpflaster heran
ein Sonnenstrahl tritt durch das Fenster
und Katarina vertauscht derweil
die Tasten auf dem Keyboard von ZYX
es ist ein guter Tag für neue Zärtlichkeiten
wenn Arschlöcher zudringlich bleiben
und noch schlimmer: Naive Idiot:innen.

Eingangskontrolle

Ich stehe an der Tür
und schaue
wer hier hinein
und wie oder mit wem
er oder sie hinausgehen
manchmal haue ich
dazwischen
ich bin nicht schlechter
als meine Kollegen
aber ich muss mich
trotzdem
immer wieder erklären
beweisen und
manchmal lachen mich
beim Hineingehen
manche heimlich aus
Männer wie Frauen
da gibt es, so gesehen
kaum Unterschiede
aber es gibt natürlich
auch die coolen Menschen
denen das alles entweder
egal ist, weil es ihnen nicht
auffällt oder weil sie
die Abweichung von
der Norm gar nicht sehen
weil sie längst neue Kategorien
für sich fest verankert haben
oder ohne gut leben

ich bin Martina, 23
ich stehe am Rose Club
ich mache die Tür
ich bin in der Zukunft
und komme
aus der Vergangenheit.