Ich . ZURÜCK

Es hat sich gewunden
gewehrt und geräuspert –

das Ich hat eine
neue Position
die alte Stellung
ist folglich vakant

„Du“, sagt einer und…

kein Mensch wird
neu ausgeschrieben

ein neuer kommt
und Er macht
den Abwasch

klimaneutral

Sie streitet nicht
Sie streiten nicht
Er, Sie, Es zeigt sich zufrieden
Sie leben
gemeinsam
die Illusion

ganz ohne Kapital

Ständige Jugendsünden

Heute bekenne ich mich schuldig zu nichts
außer zu mindestens fünf Beleidigungen, die es wert waren
und zu 3 Flüchen, die sich zu früh erschöpft haben
auch wurde gestern ein neues Spielzeug geliefert
weil ich gerne fliege, bin ich Politiker geworden
weil ich gerne abstürze auch.

Beichte abgenommen von ehemaligen Priester, heute im Ruhestand
Maria Manning

PS: Der Verrat war das letzte Mittel, das mir gezeigt hat, dass es anderes gibt.

Innen fühlt es sich so an

Es gibt keinen Fortschritt. Aber man lernt – damit zu leben. Muss. Der Wohlstand trinkt Glühwein. Der Spießbraten tropft. Im Zucker lacht das Zahnarztgesicht und die Fratze begegnet einem im omnipräsenten Maskenball ständig.

Innen fühlt es sich gut an. Sicherheit. Gewissheit. Man findet zu sich, wer oder was auch immer das ist oder da. Die Suche nimmt kein Ende. Das lernt man. Vielleicht ist das Finden das Leben.

*Am Rand führen Menschen Gespräche. Manchmal sind wir mittendrin. Das ›Ich bin es dann auch‹ teilt eine Story auf Insta. Digital jetzt; eben.“

Im Fernsehen läuft eine Doku über Amerika. Ich kriege Fernweh. Aber ich kann auch nicht zwei Leben gleichzeitig leben. Mit dem Einen scheitere ich am Zweiten und hoffe auf das Dritte? So geht die Sache sich nicht gut aus. Widerstand leisten? Erfolgreich; im Kleinen.

Das ›Ich‹ geht Zähneputzen und lacht in den Spiegel. Heute ist ein guter Tag. Hier und in Amerika. Wir denken an beide…

Stimme aus dem Untergrund

Erinnere mich an Ratten auf dem Buffet. Im Nebenhaus. Dort, wo die Schlafplätze sind. Durch das Tor, an den Türstehern vorbei, dann links, die Treppe hoch. Kühlschrank mit Bier. Bekomme backstage mein Bändchen. Verrückte Welt. Spiele mit einer Kölner Band, die heute in anderer Besetzung im Karneval aktiv ist. Ich mache den Anfang am Abend. Ziehe das Ding durch. Gewohnt und absolut aufgeregt. Bluthochdruck mit gutem Grund. Habe für das Underground bisschen wenig Druck dabei. Also musikalisch. Der Laden ist eher bekannt für die wilden Töne. Hart, aggressiv und radikal ehrlich. Wenigstens in der letzten Kategorie hoffe ich, dass ich zur Lage passe. Der Soundcheck fällt recht kurz aus. Ich spiele „Ich halte eifrig Schritt“ an. Läuft, ich bin aufgeregt und späte Anfang 20.

A: Ja, ich muss auch gerade erst mal mein stolperndes Punkherz einfangen. Das poltert vor lauter Frühling auf die Straße und vermisst bei jedem Boysetsfirelied das Underground.

Verlasse das Haus, es riecht nach Sommer, die Luft schmeckt nach Köln. Ich würde so gerne noch einmal den Morgen danach in der lauten Musik verbringen. Bei der genervten DJane einen laut geschrienen, aber wenig innovativen Musikwunsch abgeben. Bisschen cool sein. Also, so tun zumindest. Dass es wenigstens so wirkt, so, als wäre ich der Junge mit Musikgeschmack. Bisschen Underground. Bisschen passend zum Lachen, zum Laden und zu den Leuten. Bisschen cool. Bisschen Punk. So halt.

B: Underground? Gibt’s doch gar nicht mehr, oder?
A: Teil des Problems.
B: I see.

Eine der größten Bausünden in Köln – und da fallen einem eine ganze Menge ein – ist ganz sicher der Abriss des Ladens da in Ehrenfeld. Da war so viel Leben drin. Das kann man nicht einfach woanders wieder aufbauen. Das braucht Jahre. Und wenn eine ganze Generation es vergisst, dann vielleicht auch noch länger. Das ist so viel wert. So eine Art dreckiger Nabel der Welt. Für Punk viel zu teuer, viel zu viel Szene. Eine Anlaufstelle für alle Altersklassen, mit Pfand-Chip-System für Leergut. Allein das zeigt schon, dass Punk dort eher Kapital trifft, getroffen hat oder treffen wollte. Da ging es nicht um Anarchie, sondern um Wirtschaft. Aber die Abende, der Hardcore, die Schreierei. Das war schon was. Gerade morgens um sechs.

It’s you and me and the gasoline

Ist einfach vorbei. Wie unser erstes Gespräch an der Bar. Wäre so schön, wenn ich einfach wieder hingehen könnte. Noch einmal wie früher. Morgens um sechs. Der Anker, das Leben. Das „Du…“ und das danach. Auch Jahre später fehlt was. Wenn ich das Haus verlasse, der Sommer mich ruft und uns alle. Wenn meine Playlist mich mit Boysetsfire begrüßt, dann lache ich in die Sonne und weiß was verloren ist. Aber das erste Glück kann man nicht rauben. Es ist da. Unvergessen. Ein Graffiti auf Ziegelstein. Gebrannt in meinem und in all den anderen Herzen. Ich war hier. Ich war dabei. Und ich weiß auch, dass es so nie wieder wird. Und das ist auch gut so. Aber so oder so ähnlich. Das geht schon. Anders, ganz sicher. Gut wird’s bestimmt. Bis dahin – mal eben kurz was arbeiten. Dann sprechen wir uns.

Dann stehst du wieder an der Bar. Dann steht da wieder der junge Punk, der gerade einen Gitarrenladen aufgemacht hat und mir von seiner Band erzählt, die nur eine Regel kennt: Unsere Songs müssen bei zwei Promille spielbar sein. Das wird gut. Das wird die Zukunft. Nach dem Abriss kommt der Kater und dann kommt der Morgen danach, der Mittag und der Abend und wir werden uns wieder dort treffen. Versprochen. Und du stehst an der Bar. Und ich warte schon und geb dir eins aus. Genauso verliebt und schüchtern wie früher. Und so glücklich.

Kattowitz im Herbst. Impressionen einer Reise

Inhalt

Prolog
Aufbruch
Ankunft
Kattowitz I
Kattowitz II
Im Bergwerk
Kohle
Gastfreunde
Bohrungen I
Siebengänge*
Bohrungen II
Balkon
Dissonanz
Kattowitz III
Bilanz
Heimkehr
Ende
Epilog


Geschrieben, gesetzt und gedruckt zwischen dem 18. und 28. Oktober 2017 in Köln und in Kattowitz.

***

Vorwort

***

Dieser Text entstand innerhalb von nur einer Woche, während und im Anschluss an eine Tagungsreise in Kattowitz im Herbst 2017. Es war meine erste Reise nach Polen und hinweg über eine östliche Grenze.

Wer Momente historischer Wirklichkeit als befremdliche Nähe oder zu eigene Erinnerung entdeckt, lege diesen Text vielleicht ein paar Jahre zur Seite. Alles hier ist wirklich als reine Fiktion. Kein Realismus. Es bleibt dennoch nicht aus, die direkte Erfahrung und das Erlebte in der Übersetzung in lyrische Sprache und Literatur manchmal so wirklich zu belassen, dass es zur Illusion kommt.

Niemand ist hier so beschrieben wie er oder sie wirklich sind. Alles ist gerichtete Perspektive eines Einzelnen. Es ist Verarbeitung ästhetischer Wirksamkeit als Erfahrung von Komplexität in der gemeinsamen Begegnung in dieser Welt.

Kein solch einseitig formulierter Ausdruck und geschriebener Text ersetzt die Qualität einer und dieser persönlichen Begegnung.

HEY . LOW

Hier steht der Text
EINFACH ANFANGEN
„Los! Los…“, rufen die Kinder vom Hinterhof
Ich überlege noch…
Warum eigentlich
Bin kein Kind mehr!
Noch nicht so alt
Schon zu erwachsen
um erwachsen zu sein
Niemand sollte
– je ganz erwachsen werden
[müssen]
und sein…

Wir treffen uns und
warum eigentlich?
warum eigentlich nicht!
wir sind Zwei
Eins und Eins
wir sind viele
sind eins
und
1

Wir sind Zwei
wir machen Fotos
und schreiben uns dazu
ein oder zwei Mal
im Monat
wie jetzt
HIER
und heute?

Wir sind
Trrrrommelwirbel
zack . bumm
Tadaaa!
clementines . world
komm vorbei
und schau einfach
und uns dabei zu
wir machen die Welt
wie sie passiert
Du machst sie auch
fang‘ einfach an
mach mit
und mach auch
so wie wir

* Jetzt sind wir da! *

ich – du – wir

Beide
& alle
.