Ich frage mich seit
ziemlich genau Freitag
und Samstag
wie die Freiheit und
das Recht der Stärke
selbtredend die
selbstbestimmte Lebensweise
mit der Subvention von
sogenannter ›Kultur‹
zusammenpassen kann
da wird mit 2erlei Maß
gemessen, wenn
einerseits Orchester
subventioniert werden
weil diese das höchste
der Gefühle mit Weltruhm
seien und vermutlich sind
die Wahrheiten kein Singular
diese Musiker:innen kann
man nicht dem freien Markt
überlassen, sondern
sie werden durch
die Gemeinschaft finanziert
gleichzeitig muss
die Punkband ‚Missy Klaro‘
schauen wo sie bleibt und
für den Erfolg arbeiten wie
eine Rakete, der Club
verzichtet auf Gage etc.
der Unterschied ist hier
die Qualität als Maßstab
und man sieht hier Kultur
und dort unterstellt man
vermutlich, dass die
lieber „gar nicht arbeiten“
würden, dass sie es
ja gerne machen, es ist
ein Hobby (maximal) und
da stellt sich nun wirklich
die Frage – machen die
im Orchester die Arbeit
nicht gerne, ist das kein Hobby (warum?)
und machen im freien Markt
alle ihre Arbeit gerne oder
machen sie sie einfach
weil man das so macht
weil man keine Wahl hat
weil man nicht zu den Mächtigen zählt
…
Der Film handelt von der fiktiven Figur Lydia Tár, der ersten Frau, die jemals als Chefdirigentin eines großen deutschen Orchesters arbeitet. Dabei muss sich die weltbekannte Künstlerin in einem männerdominierten Beruf bewähren. […] Dabei hat die ambitionierte Frau Mühe, ihr Berufs- und Privatleben voneinander zu trennen. So deutet sich eine Beziehung mit einer Cellistin an, die Társ Ehefrau nicht verborgen bleibt. Nachdem sich eine ehemalige Schülerin Társ das Leben genommen hat und gegen Tár Vorwürfe des sexuellen Machtmissbrauchs laut werden, lässt ihr Berliner Orchester sie fallen, und auch ihre Frau trennt sich von ihr. Tár zieht sich aus der nun gegen sie gewandten Öffentlichkeit zurück […]. (Wikipedia)
…
wo ist die Grenze
der Freiheit und wann
kippt die Suche nach Stärke
in Wahn und Unterdrückung
subventionieren wir Freiheit
oder Macht, Machtkomplexe
und Missbrauch Je n’accuse pas
Je pose des questions
…
in welcher Gesellschaft
werden Punkbands
durch einen Staatsvertrag
als Kulturgut
subventioniert und
ist das dann noch Punk.
Liebst du mich
Er schreibt
an ihn oder sie
je nach Geschmack
oder Gefühl hier
die passende Version
einsetzen und
nach einiger Zeit
gegebenenfalls ändern
…
sie treffen sich
im Jahr 1995 in der Schule
dann verlieren sie sich
nach dem Abitur denken
sie oft getrennt voneinander
an die gemeinsamen Nächte
als der Rhein ihnen
das Frühjahr erklärt hat und
als die Spaziergänger
die Älteren waren, im Hintergrund
spielten die Kinder verschwommen
über ihren Köpfen schwebte
die Seilbahn
…
der Wind reibt sich
verschlafen durch die Wipfel und
verschafft ihnen eine Abkühlung
im Jahr 2015 treffen sie sich
zufällig in einer afrikanischen Stadt
sie arbeiten dort für eine
bessere Gesellschaft und
sie begegnen sich auf dem Zenit
ihrer persönlichen Karriere und
doch sind sie einsam, aber
sie erzählen sich nichts darüber
sondern lassen sich über
eine Agentur die Liebe
auf das Hotelzimmer bringen
damit sind beide doch noch
irgendwie zusammen
…
der Spätsommer kündigt
den Herbst an und in Norwegen
wird es schon früh wieder dunkel
es ist inzwischen 2035 und
die Welt ist sehr in Bewegung
gewesen und nun steht
alles wieder still, denn alle
bewegen sich nur noch online
in einer zweiten Welt agieren sie
in einer zweiten Haut und sie
häuten sich, wenn
etwas unangenehmes passiert
das Alter gerät in Vergessenheit
in dieser Welt treffen sich
zwei Avatare und sie merken
nicht mehr, dass sie zusammen
zur Schule gegangen sind und
sie haben sich einen Sommer
und eine Nacht lang
wirklich geliebt
…
als niemand mehr damit
rechnet, wird es plötzlich
sehr kalt und es gibt
einen echten Winter, der
solange bleibt, wie es
früher häufiger vorkam
nun ist das Jahr 2055 erreicht
und das ewige Leben ist
noch immer keine Option
auch wenn man sich im
digitalen Universum eine
ständige KI leisten können
muss, um angesehen zu sein
und zu bleiben
eine Frage ist, wie man das
’sich selbst überleben‘ post mortem
überprüft, aber man kann sich
gegen Betrug und Missbrauch
versichern – ein altes Prinzip
durch eine Pleitewelle und
den Strukturwandel sind
die beiden Alten nun
nicht arm, aber auch nicht
so reich, sie hatten es anders
geplant – beide für sich
sie treffen sich
auf einem Spaziergang
am Rhein, die Seilbahn
fährt nicht und Kinder
spielen nicht
der Skatepark ist in
die Jahre gekommen und
sie lieben sich noch einmal
so wie früher
dann stellen sie fest
dass sie sich an alles erinnern
außer an die gemeinsame Zeit
ein Flugtaxi bringt sie
zurück in die Vergangenheit
und sie holen alles nach
digital schreibt die KI
ihre Paarbeziehung
neu, zu einer glücklichen
Geschichte
…
sie wacht auf
er sagt: „Es ist Sonntag, ich war nur
kurz beim Bäcker. Du
hast nur schlecht geträumt.“
sie sieht ihn an
beide denken glücklich an
das Gestern und an
das Gestern davor
und davor waren sie
noch nicht zusamen, denn
sie gehören noch nicht zu
den Alten, der Morgen
verspricht eine normale
Geschichte, sie gehen
eine Runde an den Rhein
essen eine Pizza mit Rotwein
in Köln-Mülheim vergessen sie kurz
dass sie beim Minigolf heute
Großes
geleistet haben.
Drei Brötchen zur Freiheit
Er geht auf
dem Kopfstein
-pflaster
immer der Nase
nach, bis zur
letzten Bäckerei, die
noch offen ist
und sie begrüßt ihn
herzlich, obwohl
die Lage ernst ist
holt er drei Brötchen
und fragt, wie es
ihrer Lebenspartnerin
geht, sie hat seit
gestern keinen Zugang
zum Internet
mehr und jetzt sei
die Lage kurz
unübersichtlich, aber
sie sei eine tapfere Frau
und er ist unsicher
wegen ihr, wegen sich
und wegen der Unterhaltung
obwohl niemand dort
ist, fördert die Technik
das Misstrauen nicht
gegen sie oder sich
aber gegen alles sonst
nur heute
lässt er die Überwachung
im Nirgendwo stehen
und schaut der Frau
vertraut in die Augen und
sie lächeln sich mutig an
und wissen, dass es
eine andere Zeit geben
wird und das System hat
keine Chance
die Propaganda bleibt
heute ausgeschaltet
…
im Nirgendwo weint
ein lebloses Wesen
weil es nicht mit den
anderen lebt.
Copy Waste
Vier Menschen
treffen sich im ideenlosen
Raum und schließen
die Türen hinter sich
sie versuchen miteinander
zu sprechen, aber
sie hören sich nicht
und dann fällt
–
der Strom aus
jetzt sehen sie nichts
mehr und sie sind
verwundert, dass
sich noch immer nichts
geändert hat
dann ist der Blackout
vorüber und die
Türen gehen wie
von Zauberhand
wieder auf und
sie verlassen den
Raum
…
nach einer Weile
kommen sie wieder
und sie treffen sich
Immerhin! Etwas funktioniert…
sie bringen Bücher
mit und sagen
da stünde etwas
geschrieben, das könnte
man doch übernehmen
also nicht Wort für Wort
aber die Ideen seien gut
und man könnte ja dann
in eigenen Worten so
oder so ähnlich eine
eigene Idee daraus
produzieren und
bestenfalls bekommt
niemand die Verschlüsselung
mit, denn es seien ja
ohnehin unbekannte Texte
von Menschen, die
schlecht in der Schule waren
und sich dann was Nebenbei
verdient haben, durch ihre
Laienkunst
…
nach 3 Jahren
erscheint das Werk
unter dem Titel
›Die Ursprünge des Chorgesangs‘
es gibt eine große Party
alle sind besoffen oder
noch besser: KOKAIN
es gibt einen Preis
die Naiven feiern
sich selbst und
kotzen im Kanon
das ist die eigentliche
Kunst.
Samstag, abends
Ein Mann in
einem blauen Sweatshirt
– kenne das deutsche
Wort dafür nicht –
liegt auf der Fensterbank
im dritten Stock
Remscheider Straße
es ist eine laue Sommernacht
nebenan ist eine ausgezogen
gegenüber sind welche
angekommen zwischen
den Häuserreihen, die
inzwischen mit Graffitis
auf die letzte Stunde
vorbereitet werden
eine Krake oder
ein Oktopus ist
bald fertig, am Ende
der Straße wartet
ein Native und ich
frage mich nicht, ob
man hier von kultureller
Aneignung oder Darstellung
sprechen muss oder kann
kann ich heute nicht leisten
überhaupt ist es ein
schwerfälliger Tag, der
Rhein singt eine Ballade
der Wind windet sich durch
die Geländer und die Brüstung
gerät nicht ins Wanken, sondern
sie führt einen Dialog im
Widerstand mit der
Strömung fahren die
Schiffe in zwei Richtungen
die Spaziergänge tun es
ihnen gleich, ein Mann auf
einem Fahrrad fährt
seinen Müll zu einer
öffentlichen Mülltonne und
er wirft einen schwarzen Beutel
aus Plastik in einen großen
Container, in den ich wenige
Minuten später mein Kaugummi
spucken werde
…
ich rieche nichts
aber es ist eine laue Sommernacht
ich denke an alles, gleichzeitig
es ist ein gutes Gefühl, aber
ich profitiere vom blinden Fleck, der
sich seit gestern und einigen Wochen
breit macht wie die Wunde des Helden
der eben doch nicht unverwundbar
nicht unbesiegbar ist, weil er
ein Mensch bleibt
bis zuletzt sprechen wir
über die einfachen Themen
und jetzt
spüre ich die Stille, weil du
wie eine Droge wirkst
die Linderung verspricht
gegen Schmerzen, die
ich längst nicht mehr
zu spüren geglaubt hatte
…
die gute Menschenseele
macht mich glücklich, das
ist ein Fakt, auch wenn ich
mich für einen Esoteriker
halte, bleibe ich
bei der Sache und
rufe dich an
…
die Mülheimer Brücke
wird saniert, im Bus
treffe ich eine Frau, die
ein aufgequollenes Gesicht
nicht unter der Schminke
verbergen kann und
ein Mann am Fahrrad
wirkt abgearbeitet
und ich dachte, dass
das Gesicht längst
Geschichte sein
müsste oder war
…
ich steige aus und
habe dich nicht
erreicht, aber
irgendwie doch
…
die Schule wirkt
verlassen, die
Menschen
– auch, aber
der labende Wind
trägt den Staub
aus den Straßen
die neue Zeit
wird großartig
bis wir sie
erleben, vergehen
noch drei Tage
dann sind wir
unendlich
ganz kurz
…
das Telefon
klingelt
die Nachbarn
stehen in der Tür
und besprechen
das Fastenbrechen
obwohl alle Männer
getauft sind
…
ein junges Paar
repräsentiert sich
gegenseitig die Rolle
der alten Welt
…
wir sind
das Morgenland
nicht heute, aber
bald.
Blicke
Im Bus
sitzt ein Kind
und sein Vater
sitzt auch
sie wechseln sich
ab, das Spiel auf
dem Handy
kommt mir
nicht bekannt
vor
ich fühle mich
alt
…
bei einem Umzug
flüchtet eine
Schildkröte aus
einer Blechdose
sie wird wieder
eingefangen
…
ich schaue
zu dir rüber
sie schaut zurück
wir fühlen uns wie
zwei Albatrosse
in der Großstadt
…
seine Augen
folgen der Anzeige
er kann sie trotzdem
nicht lesen und
drückt prophylaktisch
…
beim Bäcker wundere
ich mich, wieso es
manche Fremdwörter
leichter haben, sich in
der Alltäglichkeit zu
behaupten
…
ich denke an gestern
es fühlt sich wie
fliegen an
…
an der Bushaltestelle
steigt ein Mann in einem
Rollstuhl zu und lacht
wir reden kurz miteinander
über Billy Talent aber
ich bin spät dran, steige
an der nächsten Halte-
stelle aus und werfe
dir einen
flüchtigen Blick zu
in der Zukunft
werden wir einander
ein Vermächtnis sein
– oder nicht.
[…] „die Zukunft ist
eine Sache
für Optimisten“, sagt sie
lacht und ich
werde es auch tun
wenn wir uns
wiedersehen.
Die Hauptnahrung
von Albatrossen sind
Tintenfische – ich schreibe
ein Gedicht, so wie mir
der Schnabel gewachsen
ist, aber ich habe
keine Hände und du
singst auf dem Heimweg
es ist eine
fröhliche Zeit, die Menschen
bewundern uns nachmittags
um 4 Uhr, weil wir
Helden sind.
Mit Mütze, mehr nicht
An der Bushaltestelle
friert man nicht mehr
denn das Frühjahr
zeigt sich milde
im Übergang
lenkt ein seichter Regen
die Aufmerksamkeit
auf die Übergangsjacke
für einen Schirm
ist es nicht zu windig
sondern einfach
zu wenig nass
und irgendwas
sucht die Nähe
zur Natur
statt Abgrenzung
und in der Ferne
putzt ein junger Mann
die Fenster für
eine alte Frau, sie
raucht derweil
genüsslich eine
lange Zigarette
der Teer lagert sich
in Sekundenlangsamkeit
auf dem verdichteten Organ ab
das man medizinisch
eine ‚Raucherlunge‘ nennt
sie trinkt einen Schluck Milch
und freut sich des Tages
der schon seit Monaten
jeden Morgen ein letzter ist
nach der Aussage
verschiedener Ärzt:innen
stirbt die Hoffnung
auf einem Röntgenbild
die Frau und der Helfer
essen ein Stück
frischen Erdbeerkuchen
mit Sahne
und sie sagt: „wenigstens
kann ich jetzt in Ruhe
fett werden“
und der Mann lacht
weil er gleich
noch
zum Sport gehen
wird.
…
Eine junge Frau
beobachtet die Szene
an einer Bushaltestelle
sie trägt eine Mütze
mehr nicht.