Rapperin in Psychatrie

Die Musik war hart
Die Drogen wurden mehr
Botox
Ihre Leistungen stimmten
– in allen Bereichen.

Man hörte sie und ihr zu

Man war zufrieden damit
„Produkt entwickelt sich gut“
„Enormes Potenzial, weiterhin…“
„Wachstum bis 24, dann aber verbraucht“

Man muss sich neu erfinden oder
man jagt dem jungen ›Ich‹ hinterher
…aber wie?

Zerstört und am Boden
Versuchten Ärzte zu helfen
Und entedeckten in ihr
ein Produkt für die Forschung.
Sie machten Studien,
schickten Patienten auf sie los,
wollten Autogramme für ihre Kinder,
die es in der Wirklichkeit gar nicht gab usw.
Alle sollten einmal so werden wie
…wer eigentlich?

Hauptsache erfolgreich
am Maximum leben
und leben als Arbeit
arbeiten als Alles
…ist Arbeit alles?

Alles in allem
maximale Unterwerfung
maximaler Konsum
Gewinnoptimierung
für das Unternehmen
nicht für die Frau
nicht für den Menschen
nicht für die Person
hauptsache richtig gef*ckt
von allem und jedem
und willig gegen sich selbst –
…keine weiteren Fragen.

Hier dreckige Phantasie zulassen, abrufen etc.
Passendes Verb ebenfalls selbstständig denken und einfügen.

Sie fand die Maske
das gerissene Gummi
an einem Montag
im Müll vor dem Haus
das ihr früher gehörte (zumindest fast)
aber in das sie nie (Berechnung auf Raten)
eingezogen war (über das 24. Lebensjahr hinaus)

Im Heute spielten
die neuen Kinder im Garten
Männer und Frauen standen am Grill
und warfen das Fleisch in den Müll
weil sie sich kurzfristig dazu entschieden
dass es sich fleischlos viel besser lebte
gegessen wird nicht (die Hausangestellten sahen das)
auch nicht getrunken (werden hungrig)
in diesem alter fing es an (die Bezahlung bleibt mies)
damals bei ihr (heute die Inflation)
nur nicht in der Villa (sie fressen die Reste auf Raten)
sondern im Ghetto (abends mit der Familie)
da schenkte ein Mann ihr (und sie lästern zurecht)
die silberne Maske zum Karneval (über das was sie auch gerne wären)

Innen, hinein in die Maske
hatte sie damals, gleich auf die Stirn
mit einem schwarzen Edding
ein Zitat eines bekannten Dichters geschrieben:
„Das bin doch nicht ›Ich‹, immer daran denken!“
– und der Schriftzug stand heute und nach all den Jahren,
dem Schweiß und den Leiden (an Luxus und Ruhm)
auch heute und immer noch da
und sie verstand noch immer nicht genau
was das ganze eigentlich meinte
ein Rest blieb ihr unverständlich
aber gerade das fand sie schön
machte sie so…
selbstbestimmt
naiv.

Die Jahre danach kam kein Teufel,
aber ein Gott war auch nicht in der Welt.
Kein Mann trat in ihr Leben (und das war auch gut so),
und wirklich entscheidend: Sie selbst war es nicht
nicht anwesend, nicht abwesend
einfach nicht da
– und mit ihr auch keine anderen Menschen.

*** Schritt der Erkenntnis

Nach einigen Wochen hatten die Ärzte und junge Forscherinnen die Studie beendet und gaben den Patienten frei für die Außenwelt. Sie bekam den Stempel ‚geheilt‘ und wusste nichts mit der Zeit anzufangen. Kein Applaus, keine Medikamente, keine Aufmerksamkeit.

Mit einem Schritt an die Presse
machte sie es dann noch einmal
das alte Muster, wie eine Sucht
die das Eigentliche ist
den Markt zu bedienen
bedingungslos
radikal
leistungsorientiert
als Vorbild am Limit
ohne Pause
nur im Exzess
Beispiel für alle
die zeitweise Knechte sein wollen
aber im Kern darauf hoffen
wie sie, bald besser „sein werden“
und sie glauben jetzt schon zu sein
was sie nie werden und sind
nämlich:

„Herren und Damen“
– mit Volk und Vieh.

Sie geht nach Chicago
verkauft die Geschichte
wird noch einmal gefeiert
genau so wie früher
aber ohne Maske
nur noch das ›Ich‹
ohne selbst
gef* von der Masse
leblos am Straßenrand
rutscht eine Ratte
über das Fleisch
und wendet sich
angewidert ab
und hin
zum himmelblauen Horziont
scheinbar ›Idylle‹ oder
Fassade im Kammerspiel
Bühnenbild
Kapitalismus

Das letzte ›Ich‹ war endlich verkauft
jetzt war nichts mehr drin in der Frucht
blutleer, ideenlos und fertig; verwertet
bereit für das Recycling
mit 19 1/2
in der
Humantitätsmaschine
der westlichen Welt

An einem Freitag
wird sie erschossen
irgendwo in Chicago
und niemand schreibt ein Lied über sie
jetzt ist das ›Ich‹ endlich glücklich
denn niemand will was von ihr
keine Männer, keine Frauen
kein Management
keine Familie
keine Kinder
nur noch das ›Ich‹
und die selbstlose Gewissheit
dass die Lüge nun
ein Ende hat
dass das nicht mehr erzählt wird
werden muss
kein Applaus
nur noch
Stille
.

Der Briefkasten

Braun hängt er an der Wand
und wartet darauf, dass
„endlich was passiert“ –

Die Klingel, das Türschloss
jemand betritt den Flur
es ist nicht die Briefträgerin
„falscher Alarm“ –

So vergehen die Tage und er
vegetiert so vor sich hin
und zweifelt am Dasein
mit all den anderen
„hungrigen Mäulern“
neben ihm an der Wand

+++

An einem unscheinbaren Tag

fällt das Leben mit der
Tür ins Haus und
füttert die Sehnsucht
nach wenigen Worten
und man schenkt ihm
ein Lächeln

er wird
doch noch
gebraucht
gesehen
genutzt und
ist für Wochen
glücklich
glücklicher vielleicht
als in den Zeiten
der Massen von
früher –

Ein         Lächeln
Eine       Pause
Ein         Lachen
Ein         paar Worte

Das        Glück

Zwischendurch eine gute Nachricht

Ich habe den Wecker ignoriert und für heute beschlossen, dass die Zukunft an diesem Tag mal nicht in der europäischen Kategorie „Menschheits- und Weltgeschichte“ gemessen wird, sondern in Minuten. Danach habe ich mich erst mal wieder hingelegt oder, besser gesagt, ich bin gar nicht erst aufgestanden und habe die Stellung noch weitere 25 Minuten gehalten.

Es folgte ein Traum. Der Person wollte ich ohnehin noch drei Fragen stellen, aber sie war so redselig – anders, übrigens, als in meiner Erinnerung -, dass ich gar nicht zu Wort kam. Das hat mich glücklich gemacht. Ich bin nicht sicher, ob es real war, aber das spielt keine Rolle.

Danach bin ich richtig gut gelaunt in den Tag gestartet. Es war so gut, dass mich der Übermut gepackt hat. Ich habe die Blaubeeren in die weiße Müslischale geworfen und nicht gewaschen. Dann habe ich die Hafermilch, die eigentlich Haferdrink heißt, direkt auf das Obst gegossen und vergessen, dass zuerst das Müsli in die Schüssel muss und ich sage mal so: „Ich habe es überlebt…“ (mache es danach aber nie wieder, denn ich bin ein modernes Wesen oder System, das wird sich im Verlauf noch klären).

Heute ist Markt und es ist alles wie immer. In der Stadt redet man die Weltpolitik klein oder man bespricht direkt die eigenen Probleme, dann fühlt man sich größer. Die Tierarzt-Kosten sind wohl gestiegen, aber ich habe noch keinen ängstlichen Hund gesehen.

Ich habe ihnen an diesem Tag sehr genau in die Augen gesehen, aber sie wirkten allesamt glücklich. Vielleicht haben sie auch von der Realität geträumt, wer weiß das schon so genau. An dieser Stelle versuche ich in eine andere Dimension zu wechseln und nun laufe ich an der Leine durch Deutschland.

Das Mittagessen habe ich vergessen, aber ein Geschenk konnte ich finden. Endlich bin ich in den Laden auf der Hauptstraße gegangen. Dort wartet ein alter Mann auf der Leiter, den Rücken mir zugewandt. Es war der perfekte Einstieg in einen Weihnachtsfilm oder in eine Werbung.

Was mir positiv auffällt: In diesem Laden, der aus der Zeit gefallen wirkt und ist – und dabei keine Szeneerscheinung ist -, finde ich eine in mir verborgene Person und ihre Sprache. Es ist also der Supermarkt der mich und die Verkäufer entfremdet. Der Mann ist überrascht, dass ich nicht mit meiner Karte bezahlen will. Gute, alte Welt – heute.

Es geht dennoch schnurstracks voran in die Zukunft des Tages und am Nachmittag laufen mir drei bekannte Gesichter über den Weg. Ich halte an, wir besprechen ein paar Dinge und der Abend kann kommen. Fortsetzung folgt.

Der Autor wurde zum Ende hin vom Leben unterbrochen. Sie lacht ihn an und er sie auch, und in einem anderen Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Hinterhofs tut Er es Ihr gleich. Heile Welt. Keine Angst. Keine Angst vor der Zukunft, sie wohnt gleich nebenan und hat gute Laune. Siehst du sie auch?

Ich . ZURÜCK

Es hat sich gewunden
gewehrt und geräuspert –

das Ich hat eine
neue Position
die alte Stellung
ist folglich vakant

„Du“, sagt einer und…

kein Mensch wird
neu ausgeschrieben

ein neuer kommt
und Er macht
den Abwasch

klimaneutral

Sie streitet nicht
Sie streiten nicht
Er, Sie, Es zeigt sich zufrieden
Sie leben
gemeinsam
die Illusion

ganz ohne Kapital

Ständige Jugendsünden

Heute bekenne ich mich schuldig zu nichts
außer zu mindestens fünf Beleidigungen, die es wert waren
und zu 3 Flüchen, die sich zu früh erschöpft haben
auch wurde gestern ein neues Spielzeug geliefert
weil ich gerne fliege, bin ich Politiker geworden
weil ich gerne abstürze auch.

Beichte abgenommen von ehemaligen Priester, heute im Ruhestand
Maria Manning

PS: Der Verrat war das letzte Mittel, das mir gezeigt hat, dass es anderes gibt.

Innen fühlt es sich so an

Es gibt keinen Fortschritt. Aber man lernt – damit zu leben. Muss. Der Wohlstand trinkt Glühwein. Der Spießbraten tropft. Im Zucker lacht das Zahnarztgesicht und die Fratze begegnet einem im omnipräsenten Maskenball ständig.

Innen fühlt es sich gut an. Sicherheit. Gewissheit. Man findet zu sich, wer oder was auch immer das ist oder da. Die Suche nimmt kein Ende. Das lernt man. Vielleicht ist das Finden das Leben.

*Am Rand führen Menschen Gespräche. Manchmal sind wir mittendrin. Das ›Ich bin es dann auch‹ teilt eine Story auf Insta. Digital jetzt; eben.“

Im Fernsehen läuft eine Doku über Amerika. Ich kriege Fernweh. Aber ich kann auch nicht zwei Leben gleichzeitig leben. Mit dem Einen scheitere ich am Zweiten und hoffe auf das Dritte? So geht die Sache sich nicht gut aus. Widerstand leisten? Erfolgreich; im Kleinen.

Das ›Ich‹ geht Zähneputzen und lacht in den Spiegel. Heute ist ein guter Tag. Hier und in Amerika. Wir denken an beide…

Stimme aus dem Untergrund

Erinnere mich an Ratten auf dem Buffet. Im Nebenhaus. Dort, wo die Schlafplätze sind. Durch das Tor, an den Türstehern vorbei, dann links, die Treppe hoch. Kühlschrank mit Bier. Bekomme backstage mein Bändchen. Verrückte Welt. Spiele mit einer Kölner Band, die heute in anderer Besetzung im Karneval aktiv ist. Ich mache den Anfang am Abend. Ziehe das Ding durch. Gewohnt und absolut aufgeregt. Bluthochdruck mit gutem Grund. Habe für das Underground bisschen wenig Druck dabei. Also musikalisch. Der Laden ist eher bekannt für die wilden Töne. Hart, aggressiv und radikal ehrlich. Wenigstens in der letzten Kategorie hoffe ich, dass ich zur Lage passe. Der Soundcheck fällt recht kurz aus. Ich spiele „Ich halte eifrig Schritt“ an. Läuft, ich bin aufgeregt und späte Anfang 20.

A: Ja, ich muss auch gerade erst mal mein stolperndes Punkherz einfangen. Das poltert vor lauter Frühling auf die Straße und vermisst bei jedem Boysetsfirelied das Underground.

Verlasse das Haus, es riecht nach Sommer, die Luft schmeckt nach Köln. Ich würde so gerne noch einmal den Morgen danach in der lauten Musik verbringen. Bei der genervten DJane einen laut geschrienen, aber wenig innovativen Musikwunsch abgeben. Bisschen cool sein. Also, so tun zumindest. Dass es wenigstens so wirkt, so, als wäre ich der Junge mit Musikgeschmack. Bisschen Underground. Bisschen passend zum Lachen, zum Laden und zu den Leuten. Bisschen cool. Bisschen Punk. So halt.

B: Underground? Gibt’s doch gar nicht mehr, oder?
A: Teil des Problems.
B: I see.

Eine der größten Bausünden in Köln – und da fallen einem eine ganze Menge ein – ist ganz sicher der Abriss des Ladens da in Ehrenfeld. Da war so viel Leben drin. Das kann man nicht einfach woanders wieder aufbauen. Das braucht Jahre. Und wenn eine ganze Generation es vergisst, dann vielleicht auch noch länger. Das ist so viel wert. So eine Art dreckiger Nabel der Welt. Für Punk viel zu teuer, viel zu viel Szene. Eine Anlaufstelle für alle Altersklassen, mit Pfand-Chip-System für Leergut. Allein das zeigt schon, dass Punk dort eher Kapital trifft, getroffen hat oder treffen wollte. Da ging es nicht um Anarchie, sondern um Wirtschaft. Aber die Abende, der Hardcore, die Schreierei. Das war schon was. Gerade morgens um sechs.

It’s you and me and the gasoline

Ist einfach vorbei. Wie unser erstes Gespräch an der Bar. Wäre so schön, wenn ich einfach wieder hingehen könnte. Noch einmal wie früher. Morgens um sechs. Der Anker, das Leben. Das „Du…“ und das danach. Auch Jahre später fehlt was. Wenn ich das Haus verlasse, der Sommer mich ruft und uns alle. Wenn meine Playlist mich mit Boysetsfire begrüßt, dann lache ich in die Sonne und weiß was verloren ist. Aber das erste Glück kann man nicht rauben. Es ist da. Unvergessen. Ein Graffiti auf Ziegelstein. Gebrannt in meinem und in all den anderen Herzen. Ich war hier. Ich war dabei. Und ich weiß auch, dass es so nie wieder wird. Und das ist auch gut so. Aber so oder so ähnlich. Das geht schon. Anders, ganz sicher. Gut wird’s bestimmt. Bis dahin – mal eben kurz was arbeiten. Dann sprechen wir uns.

Dann stehst du wieder an der Bar. Dann steht da wieder der junge Punk, der gerade einen Gitarrenladen aufgemacht hat und mir von seiner Band erzählt, die nur eine Regel kennt: Unsere Songs müssen bei zwei Promille spielbar sein. Das wird gut. Das wird die Zukunft. Nach dem Abriss kommt der Kater und dann kommt der Morgen danach, der Mittag und der Abend und wir werden uns wieder dort treffen. Versprochen. Und du stehst an der Bar. Und ich warte schon und geb dir eins aus. Genauso verliebt und schüchtern wie früher. Und so glücklich.