Grammatische Spiele

Liegt der Fehler darin (dort),
dass man die Perspektive drehen
will? Wie anders?

 

Grammatik jenseits der
Binarität = polyvalent
und frei von Hierarchie,
Alterität, Unterdrückung
(Ausgrenzung)

Wie durchbricht man Muster,
die man nicht kontrolliert
die an einen herangetragen
werden, ohne dass man
mit jemandem darüber spricht

Ich = Ich = Wer = Alle < Sg. / Pl.

Perspektiven und Muster

Ich würde ihm gerne vertrauen
aber ich kann mir selbst nicht
vertrauen, ich bin nicht ehrlich
oder wenn, dann lebe ich
zwei Leben, weil ich die Sicherheit
suche. Nicht das Glück oder die
Liebe. Ich bin nicht naiv, ich
will auch nur leben und nicht (oft)
geschlagen werden.

Seit 3 Tagen ghostest du mich
und ich würde gerne einfach
ignorieren, dass ich es nicht
kann.

Der Job macht keinen Spaß, ich
muss viel arbeiten und bekomme
wenig Geld. Meine Hoffnung, die
einzige, dass mich jemand trägt,
irgendwann.

Abbruch des Studiums,
Taxi fährt vor, kein Fahrer

auch keine Fahrerin.

Rollenkonstellation(en) [-konventionen]
überwinden, ohne Muster [neue]
zu übernehmen und zu [wie]
tauschen – möglich? [wo]

Bogner arbeitet ohne Ausbildung
in einem ‚Frauenberuf‘ und
verdient zu wenig, er ist ein
liebevoller Vater, der seine Kinder
schlägt, er flüchtet aus der
häuslichen Enge und
sucht seinen Abstand in
einer Kneipe. Dort redet er
aber nicht mit den anderen
Männern/Menschen, er
sucht das Glück am Spielautomaten

 

 

 

Wie dreht man die Perspektive?

Briefe nach Bitterfeld

Herr Schmidt kommt nach
Hause in mehrere Häuser, heute
besucht er seine Studienfreundin
die er aus pragmatischen Gründen
geheiratet hat. Beide
leben in Freiheit zusammen
und dagegen ist so nichts
zu sagen, es sei denn
man denkt katholisch oder so.

In einem dicken Benzer
fahren arabische Nächte
vor, eine Burka steigt aus, die
Frau ist gefahren, der Mann
wird ausgelacht, was ist so komisch?

Seit 3 Tagen rechne ich meine
Gehaltsabrechnung durch
und komme immer wieder
zum Schluss: Ich kann mich
weder als Mann behaupten noch
als Mensch, überleben in
schwierigen Zeiten.

Du bist, und die Arbeit

Das Rollenbild
dem das Ich nicht entsprechen kann
wenn es entsprechen will, stört
das Konstrukt, die Figur wechselt
die Perspektive und wird dann
einfach nicht mehr
beachtet.

Du wartest im Hausflur
der Prinz kommt (really?!) heute nicht
und das Klingelschild Dr. Schmidt, Anke
zeigt an, dass hier ein erfolgreiches
Leben geführt werden soll, die
Hausarbeit macht eine arme Frau
sie ist Mutter, hat 2 Kinder und
weder einen noch mehrere Männer
es sei denn, sie muss der Mieterhöhung
entgehen, ein Privatleben hat sie
nicht, die Schwarzarbeit lohnt sich
nicht wirklich, wirklich nicht

Wir sind die Guten

8. Mai 2018

Wir sind die Guten

Zwei tapfere Gestalten,
manchmal auch drei oder vier
nur Einer schafft es so
zum ganzen Wir.

Bald ist’s so weit!

Noch zwei Stunden
Zwei Stunden nur
dann sitzen wir
zusammen und reden
und schauen uns an
und sind alle ganz da
und ganz wirklich.

Im Hier. Jetzt!
VOLLKOMMEN, analog.

***
Wir sind die Guten

Wir treffen uns
um uns wieder zu treffen
um uns wieder zu sehen
um uns wieder davon zu erzählen
um uns so zu genügen
um uns daran zu erinnern
um neue Wege zu gehen
um wieder zu stehen
um uns zu fühlen, zu lachen,
um Hände zu halten – und zu tanzen!
und zu springen! Bis der Puls heftig schlägt
und das Blut eifrig fließt
bis unter die Haut.

Wir sind die Guten
wir sind
zwei junge Wilde
inmitten der Herde
die gesunde Komplikation
des stärkeren Lebens
ganze
und doch so fragile
durch alle Fehler hindurch
reine Existenz.

Wir sind alles
seit gestern
schon heute
für morgen!

Ich atme, leichter

Es liegt eine gewisse
Schwere auf dem Tag
Zeiten sind Gezeiten
des Seins und Ebbe
wird zur Flut, bleibt
die Masse konstant
bin ich erdrückt oder
werde ich freier mit
jedem Augenblick
wenn ich denke, dass
wir nicht alleine sind
bin ich gefangen in
der Suche danach
wenn es geht, dann
schnürt es mir alles
zu, den Hals die Luft
wir, knapp, und mein
letztes Wort bringt
den Herzschlag aus
dem Rhythmus, die
Schrittmacherin, er
fehlt und sie auch
oder wir sind das
Blut dieser Zeit, die
Armut ist jetzt unser
Versprechen gegen
das Licht stirbt es
sich leise, wenn wir
vorher nicht gelebt
haben werden, am
Satzende wartest
du und schenkst
mir einen Punkt
die Satzzeichen
sind ein Anfang
kein Ende und
wenn ich atme
dann spüre ich
die Erleichterung
dass es alles vorbei
-gehen wird, wenn
wir uns aneinander
erinnern, ist selbst
die Krise keine
schlechte Zeit
gewesen, sondern
ein gemeinsames
Versprechen
auf das, was da
kommen wird
wenn wir uns
treffen und
nicht mehr
verlieren

die Tür öffnet sich
und der Sommer
glimmt wie meine
chronische Lust
auf den Plural
zwischen uns
lacht die Konjunktion
sie fühlt sich endlich
geborgen
wir sind ihr neues
Glück.

corona hat dich gefickt

alte frau sitzt in der
bahn, eben beim arzt
rezept abholen, jetzt
unruhig, maske im
gesicht, sucht platz
in der einsamkeit
die isolation ist
– nicht vorbei –
ein kind steigt am
anderen ende des
waggons ein und die
mutter plus fahrrad
unbedarft streunt
sie, das kind, in
unsere richtung
die frau wird unruhig
sie wirkt älter, fragil
jetzt noch mehr als
eben, bestimmt
liberal, irgendwie
lost, auch wenn das
jugendsprache ist
mitgenommen wirkt
sie nicht, die zeit hat
den menschen ver-
lassen, sie macht
eine geste, will das
kind verscheuchen
wie einen geist, es
ist 9 uhr morgens
und ich fühle mich
wahnsinnig normal
die frau dreht sich
zur scheibe, das
kind geht an ihr
vorbei, an uns, es
lächelt lebensfroh
und die frau hält
sich die hand vor
das gesicht, sie
sieht den tod in
dem kind, bin ich
wirklich so mutig
nein, ich sage kein
einziges wort und
verzweifle an der
empathie, die es
hier bräuchte

mann mit handschuhen
winterhandschuhe im
sommer, maske auf und
sonnenbrille, läuft durch
die bahn, ich stehe an
der tür, er bleibt im gang
stehen und seine grauen
haare sind nicht frisiert
sein blick durchdringt
alles und ich sehe nicht
in diese hoffnungslose
existenz, weil ich mich
vor der willkür fürchte
und vor dem anderen
das mir begegnet, ich
kann mich dazu nicht
verhalten, fühle mich
sehr normal, normiert
hilflos, plötzlich turnt
der mann im gang wie
es die jugendlichen
sonst tun, aber er ist
keiner von ihnen, er
ist weiß, alt, männlich
er turnt erst quer zum
gang, dann macht er
klimmzüge in meine
richtung, ich fürchte
mich nicht, aber bin
kurz davor und fühle
mich überfordert, ein
turnvater beherrscht
das deutsche reich

menschen unterhalten
sich nicht mehr auf der
straße, stehen apathisch
zusammen, nebeneinander
auf einem leihroller fährt
eine heroische frau mit
einer fetischmaske vor
sie läd zum rollenspiel ein
der heumarkt ist nachts
um drei ein gefährlicher
platz, wenn man einfach
nur die fürsorge eines
echten menschen sucht
sieht man hier, was geld
in den menschen treibt
wenn sie in missbrauchs
-systemen funktionieren
werden sie nie wieder
glücklich, wenn sie ihre
blinden flecken sehen
werden sie tot sein oder
sie brauchen drogen, um
sich noch mal lebendig
zu fühlen, dann fällt
alles in sich zusammen
die verrückten werden
die normalen sein, den
anderen schenkt die
stadt ein grab im rhein

tauben lachen im chor

ein neuanfang
an einer kreuzung
treffen sich zwei
freunde, sie sprechen
über alte zeiten und
sie planen eine
gemeinsame reise
an einen besseren
ort, den sie ›Deutsch
-land‹ nennen, dort
seien alle menschen
gleich, tolerant und
demokratisch, fast
wie in der welt, aus
der wir gekommen
sind, und nach dem
maskenball trennen
wir botox von falten

ein kind geht über
einen zebrastreifen
und liest ein buch
von feridun z.
es lacht laut auf
weil es literatur
komisch findet
und schön, witzig.