Auto, Mustang+Mate

Parke mein Auto
in einem toten Winkel
komme vom Land
fahre jeden Morgen
in die Stadt
Stau
suche einen
Parkplatz
zu viele Anwohner
fahren nicht
mit dem Auto
haben aber eins
finde das nervig
will mein gutes Stück
meinen Erfolg
irgendwo sichtbar
präsentieren
ich bin eine Reiterin
des Glücks
mache Karriere
und bin
der Erfolg in persona
binde meinen schwarzen
Mustang
gerne sichtbar
vor den Saloon
damit mich Menschen
bewundern
das Volk und die Armen
sie sollen mich lieben, mich
nicht irgendwen anders
bin nicht irgendwer
sondern der Jemand
ich bin der Held
in der
modernen Welt
und ich kaufe mir
was ich mir wünsche
jetzt also
ne Mate am Kiosk
erzähle dort
meine Geschichte
harte Arbeit, Aufstieg, Chancen
das Büro ruft an
ich bin so wichtig

der Kioskbesitzer
hat nur 4 Stunden geschlafen
war schon im Großmarkt
und klagt nicht mehr
über die Strompreise
es kommt irgendwie hin
immer, irgendwie
halb legal, getrieben
vom Markt
den andere bestimmen
selbst ist der Liberale
morgen heiratet seine
Tochter
die Liebe des Lebens
sie suchen die Freiheit
und reiten in den
Sonnenuntergang
in Richtung Norden.

Es gibt einfach etwas

Ich gehe nach
draußen und bleibe
in der Welt, die
ich vergessen hatte
weil die Stadt mich
betäubt
das industrielle
Rauschen
im blauen Licht
des Bildschirms
suche ich den
Menschen in der
Matrix und vergesse
dass mir gestern
drei gute Typen (er/sie/es)
im Flur begegnet sind
lachend und zugewandt
offen und fröhlich
glücklich über das Jetzt
und darüber
dass man sich kennt
und ich bin es auch
dass das so geht
vergesse manchmal
mich daran zu erinnern
und dann ruft mich
der Rhein und macht
das ewige Eis zur
Hoffnung und nicht
zur Angst, wenn
die Natur mich
daran erinnert
wie groß sie ist
und ich bin klein
aber nicht
bedeutungslos
du kommst
über die Brücke
und ich zähle
niemanden
außer dich
und die Drei
plus 10% Trinkgeld
an die Kneipe
in der so etwas wie
Gott hinter dem
Tresen steht.

Im Kern ist das hier vielleicht
ein religiöser Text

oldschool, sozusagen.

Dem Verfasser selbst ist das
im Prinzip überhaupt nicht wichtig,
denn es zählt in der Sache und da
geht es um die Begegnung
mit den Menschen und um
eine Sprache, die das Leben
als buntes Polaroid erzählt.

Aufgewacht

Neben Europa
liegt ein Kontinent
dazwischen
liegt
eine Frage
und die Antworten
stehen nicht
im Erwartungshorizont
weil es keinen
gibt
und weil die
Zukunft
nicht in der
Vergangenheit
liegt
muss die Welt
darauf warten
und Europa
auch…

Derweil wartet
ein alter weißer Mann
nicht auf das Personal,
und er kocht schon mal
Kaffee.

Taschengeld

Den Umgang
mit Geld sollte
ihr Kind früh lernen
zur Orientierung dienen
Taschengeldtabellen
diese gewöhnen ihr
Kind an die Wirtschaft
und sie konfrontieren ›es‹
mit ihrer Verwantwortung
der späteren Abhängigkeit
es handelt sich somit um eine
soziale Strukturfunktion und
um eine solidarische
Pflichtabgabe und
es dient der Gewöhnung
an die Grammatik des Kollektivs
es gibt keine gesetzliche
Regelung
das ist wie beim
sogenannten ›Schwarzgeld‹
das ist auch ein ›Taschengeld‹
da es nicht über Konten läuft
sondern durch Taschen wandert.

Meist bestimmt der Vater
oder ein mütterlicher Ersatz
über die Höhe, und
die Leistung kann als
feudale Fürsorge mit
einer Verpflichtung verbunden
werden, als solche können
kleinere Arbeiten oder
einfach nur Gesten der
Anerkennung gelten
sinnvoll ist
ein Foto auf einem T-Shirt
oder auf der Butterbrotsdose
damit alle Welt den
Erfolg des Oberhauptes
auch
mitbekommt.

Long live the King/Queen!

Der Unterschied
zwischen einem Taschengeld
und einem Arbeitslohn
ist die spätere Abgabe
an den Sozialstaat
diese wird nicht fällig
wenn man
für das Königreich arbeitet
oder für eine vergleichbare
Institution, die über der
Demokratie steht
das Privileg
tritt außerdem inkraft
wenn man
sein gesamtes
Leben auf dem
Taschengeldprinzip
finanziert
und sie verringert sich
wenn man
im Nebenerwerb
Kind bleibt, dann
erhält man auch später
von Patriarchen
Taschengeld.

Abstoßungen werden
in der Forschung aktuell
als
Prince-Harrykomplex
beobachtet und
kategorisiert
ein Medikament
ist in Arbeit.

Kommunikation und Verkehr

Meine Großmutter liebte meinen Großvater sehr. Sie beide hatten ihre Neurosen. Das zeigte sich im Telefon. Er überwand sich, damit sie sich weniger überwinden musste. Und sie verstand das. Das verband die beiden. Wenn es darüber hinaus Dinge zu klären gab, dann sprachen sie miteinander. Für die Großstadt hatten beide nicht viel übrig. Der Verkehr war ihnen gemeinsam suspekt geblieben. Einen Führerschein besaßen beide nicht. Sie gingen zu Fuß, fuhren mit dem Rad oder gar nicht. Zu uns kamen sie mit der Bahn, – das war aber eine seltene Ausnahme und vor meiner Zeit. Später kam nur noch meine Großmutter.

Wenn wir sie am Hauptbahnhof abholten, verließ sie den Waggon gegen die Fahrtrichtung und suchte schnellstmöglich den nächstgelegenen Treppenabgang. Unter vielen Menschen wurde sie unruhig. Das mochte sie nicht, weil sie sich immer sehr im Griff hatte und sie wusste, dass man es ihr ansah, wenn sie die Kontrolle über sich unter anderen verlor. Daher trafen wir sie erst etwas abseits der Stimmen auf dem Bahnhofsvorplatz. Dort verlief sich der Strom in verschiedene Richtungen und sie wurde ruhiger. Wir warteten in der immer gleichen, abgelegenen Ecke, das war die Vereinbarung, die wir stillschweigend nie trafen. Und wenn sie dann jedes Mal sehr bestimmt durch die Glastüren ging und auf uns zukam, griff sie sehr schnell und so bald als möglich nach meiner Hand wie nach der eines geheimen, vertrauten und lange vermissten Menschen.

Trotz ihrer Selbstbeherrschung sah ich in ihr immer das ganze Zittern der starken Empfindung und fühlte, wie sie in mich hineinsprach, wenn sie mich fragte, wie es mir geht. Sie suchte die Nähe, die sie manchmal nur dachte, und sie blieb in der Stadt eine Fremde. Sie sah durch mich die Enge, die sie betraf, und sie vergaß dabei, dass ich hier aufgewachsen und nie weggekommen war. In mir war all das ganz natürlich, gegen das sie so hart war, dass sich das Blut manchmal staute.

Tatsachenfiktion

Schriftsteller
schaffen Fakten
aus der Fiktion
und sie
demaskieren die
Zwischenräume
der statischen
Konstruktion
die
Rationalität
wird giftig
wenn
jemand
ihre blinden
Flecken
benennt und
die Schwäche
erklärt, die
eigentlich ihre
Stärke ist, wenn
sie die Ohnmacht
nicht ignoriert
sondern prüft
und teilweise
eingesteht.

Du nimmst mir die Angst

Plötzlich und unerwartet
öffnet sich die Tür
einige Augenblicke zu früh
ich stehe noch in der
letzten Kälte des Winters
mitten in Kalk kommen
die Schneegänse schon
wieder zurück
sind auf halber Strecke
umgekehrt und
versprechen den
Frühling
es geht bald wieder
los und es ist gut
wie die Worte
jetzt die Positionen
wechseln und
sich gegeneinander
nicht ausspielen
sondern ergänzen
und modellieren
fast als würde man
gemeinsam
ein Gefäß töpfern
das nicht zu groß
wird, werden darf
aber angemessen
die Welt öffnet sich
der Himmel ist blau
die Stadt strahlt
durch zwei Menschen
einfache Helden
jenseits von Sagen
und Legenden machen
sie den Moment
zu einer kohärenten
Geschichte mit
offenem Ausgang
aber man ist hier
Optimist und man
weiß, was man sagt
wenn man „bei sich“
bleibt, wenn man
nicht alles akademisch
überproduziert
sondern realistisch
dechiffriert sich die Welt
und übersetzt Bedürfnisse
Unsicherheit und Sicherheit
in ein bestimmtes Lächeln
in einen durchdringenden Blick
in eine klare Ansprache
in Aussagen, die so ehrlich sind
dass sie an allen anderen Stellen
in der Welt gerade fehlen
um ein authentisches Bild
und so etwas wie Hoffnung
zu zeichnen, ein Realismus
der seine Grenzen bekennt
und der ein humanistisches Erbe
nicht zur ideologischen Phrase
verstümmelt oder deformiert
wir begegnen uns komplementär
aber auf Augenhöhe
arbeite mich zurück in meine
Herkunft und suche die Zukunft
mit einem Menschen und
durch ein Gespräch
in dem die Worte nicht
die Waren verpacken und
die Männer und Frauen
durch ihre Kaufkraft
beurteilen, sondern
durch ihre Kompetenz
in den Fragen, die
Menschen wirklich
interessieren, weil es
sie angeht
es braucht nicht
die vielen Lieben
damit man eine dann
fallen lassen kann, wenn
man genug Wohlstand
besitzt, um Probleme
abzustoßen, man muss
sich kümmern um
Frauen, in diesem Beispiel
wenn es schlecht geht
läuft er davon
weil die Fragilität des Seins
Existenzen infrage stellt
auch die eigene und die
Eitelkeit eines Mannes
der stark sein will oder
glaubt sein zu müssen
um in dieser Welt
zu überleben und
um Schutz und Sicherheit
zu gewähren, für alles und jeden
ein Patriarch ist orientierungslos
in der Demokratie, jenseits von
Fragen nach Heimat, Herkunft
und Identität
die sich durch das Recht des
Stärksten begründet
aber Stärke oder Größe
zeigen sich nicht nur in Gewalt
sondern auch dort, wo Menschen
zuhören, sprechen und
ein Gespräch gemeinsam
begründen und das ist
offensichtlich selten geworden
ich verlasse etwas verliebt
den Raum und denke an
den Luftballon, gönne mir
etwas Realismus und suche Distanz
am ewigen Rhein
laufe ich fast ein kleines Kind um
weil ich offensichtlich
aus der Bahn geworfen wurde
und das ist gut so
das nimmt mir die Angst
weil es ein Morgen gibt
irgendwo
sitzt du am Tisch
und wir werden uns treffen
und dann geht sich alles aus
bis dahin beobachte ich
die Zugvögel am Horizont
und denke an heute.