Kondensat

Das Ende zu finden
ist auch immer mit
einer kurzen Verkrampfung
und großen Anspannung verbunden.

Mittlerweile, gelernte Konzentration
und keineswegs Phase der Panik.

Man kennt sich,
lernt sich
kennen.
Bildung am Selbst
mit sich
und der Herausforderung
das Neue
auf den Schultern von
RiesInnen
.
getragen
durch
die
Zeit
.

Eine kleine Geschichte der Freiheit

Ich betrat das Café des Ostens und suchte die französischen Anführungszeichen auf der Tastatur. In eben diesem Moment fiel mir der Fachbegriff ›Guillemets‹ nicht ein. Aus lauter Verzweiflung bestellte ich mir etwas zu essen, damit ich mein Skript noch beenden könnte. Eigentlich hatte ich keine Zeit mehr. Weder zum Essen noch zum Schreiben. Aber ich war natürlich nicht fertig, nicht ganz.

Und es blieb genug, um noch einmal frustriert durch das Netz zu streunen. Lethargisches Füttern der Suchmaschine machte mir irgendwie auch Spaß, es war ein Spiel, manchmal mit, inzwischen oft auch gegen den Algorithmus.

Der Text war gut. Das wusste ich insgeheim. Nicht perfekt, aber ausreichend, um die Partei zu bedienen. Ich stillte den Hunger und meine Gedanken, als ich durch die Glasscheibe auf den Bahnhof blickte und die vielen Reisenden mit ihren Koffern sah. Sie mussten panisch irgendwo hin und ich ging jetzt in die andere Richtung.

Morgen würde das nicht mehr gehen, aber ich kannte das von früher. Ich wusste, wie es sein werden würde, wenn sich die Teilung vollzog. Deshalb ging ich hier hin, hinein in die offene Wunde und machte das, was ich seit meiner Jugend immer tat: Ich aß in Ruhe den Teller leer, bedankte mich bei dem Kellner, gab ihm ein Trinkgeld und fragte mich insgeheim, ob es zu viel oder zu wenig sei.

Eigentlich wusste ich, dass die Summe in Wirklichkeit passte. Ich wusste auch, dass eine Mauer mich nicht zum gebrochenen Mann machen würde. Schließlich kannte ich die unsichtbaren Kräfte, die menschlichen Steine und die selbstlosen Funktionäre, die jedes System infrage stellen konnten.

Meine Arbeit war vermutlich so belanglos wie unnötig. Dennoch freute ich mich darauf, im Vermittlungsausschuss mein Impulsreferat zu halten. Und ich freute mich auf die kurze Zeit jenseits der Heimat und hinter der Grenze, die morgen schon geschlossen sein würde. Aber auch das kostete mich nicht, dass ich insgeheim wusste, was Anführungszeichen für das Wort Freiheit bedeuteten.

Ankunft

Veröffentlichung einer Nachricht aus der Post des Reisenden:

Ich bin tatsächlich gut angekommen. Die Stadt ist irgendwie ganz seltsam spannend – zwischen Ostblock, Arbeiterstadt und vielen Studenten hat es auch etwas von einer kleinen Großstadt, die sich Momente der Gemütlichkeit bewahrt hat – und des Katholizismus.

Ich bin total begeistert und gleichwohl völlig damit überfordert. Akklimatisiere mich also sehr langsam, wobei ich mich auch immer etwas anstelle, wenn keiner meine Sprache oder Englisch spricht. Bin aber dank eines Tipps in einem ziemlich guten, kleinen vegetarischen Restaurant gelandet. Dort haben sie die Schüchternheit des Reisenden ganz liebevoll nichtig werden lassen. – Das ist sehr sympathisch.

Den Ort des Geschehens habe ich natürlich auch schon gesichtet und zu meiner Überraschung und vor lauter Schrecken die begleitende Ausstellung entdeckt. Dann festgestellt, dass wir beide aus Köln sind. Alles also ganz schön aufregend gerade. Hoffe du hast auch einen guten Tag gehabt.

Liebe Grüße
aus Kattowitz

›Clevelyn‹ (Name geändert; Verf., 13.12.2022)

Haus gegen zehn verlassen

Rollengeklapper,
Copyshop in Kalk gesucht
und gefunden.
Das erste Mal
einen gebraucht.

Gestern
bis spät abends
geschrieben,
am Ende des Vortrags.
Üblicherweise
würde man sagen:
„gepfeilt“
.
Insbesondere als der Sohn
zweier Schlosser
und mehr
in der Familie
väterlicherseits.

Es wurde eher
„gepresst“
(Stichwort:
›Druck‹)
.
das
verbindet
mit dem anderen
Handwerk
mütterlicherseits.

Das Kondensat
braucht
den letzten
Schliff,
er
schmeckt
weniger
süß
.
Etwas weniger Zucker,
getragene Hufe
gebrauchtes Geschirr
es klappert das Eisen
über das Pflaster
das Pferd
stößt einen lauten
Seufzer
hinaus
aus der
Magengrube
hinein
in den Morgen
in der Stadt
in der weiße Kutschen
noch fahren
.

Wohin?
Egal
.

Skizze

Die Stadt liest sich schwer
– Passagen gestrichen –
Noch einmal zurück
An den Anfang
Da sind wir wieder
Das ist jetzt genau

Einige Stunden her

*
Die Stadt liest sich schwer
auch drei Jahre später
vermutlich
weil so viel
passiert
ist
in der
Zwischen-
-zeit

Grammatik ist ein seltsames Spiel


weitere Frau mit Kind
hier schon Beziehung der anderen
durch die ungeprüfte Schlussfolgerung
geklärt -> Er ist ein Meister; er ist das Vorurteil

Frau mit Kind = Mutter, Oma (?); nicht prüfen, Empathie

Kinderwagen, Smartphone, Video
kaum Männer; schaue auf die Uhr
Arbeit, Arbeit, Arbeit; Ferien (Arbeit?)
Kinder werden digitalisiert (Arbeit?)
Noch eine Frau (mit Kopftuch)
verfolgt (Stumm! Schweigend. Lächelnd…)
einen Videocall
mit der, die, das Familie?
– Grammatik ist ein seltsames Spiel
wunderbar!

Der Panther

Im Jardin des Meta, überall

Sein Blick ist vom Vorbeiziehen der Reels
so müde geworden, dass ihn nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Dinge gäbe
und hinter tausend Menschen keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig sanfter Musik,
der sich im allergrößten Helden zeigt
ist wie ein Tanz von Leere ohne eine Mitte,
in der betäubt ein großer Algorithmus singt.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos zu –. Dann geht ein Bild hindurch,
wandert hinein in die Stille des Lärms –
und hört im Herzen auf, daran zu denken,
was Freiheit wirklich wäre.

nach R. M. R.