Zuhause

Hier bin ich
hier gehe ich nicht mehr weg
ich lebe hier in Deutschland
mein ganzes Leben schon
ich stamme aus Deutschland
meine Eltern lebten nicht immer in Deutschland
ich bin hier geboren
ich habe einen deutschen Pass
ich mag deutsches Essen
ich bin immer pünktlich und diszipliniert
ich bin eine richtige Deutsche
ich spreche Deutsch, nie ganz perfekt
ich habe bislang niemanden getroffen, der das freiwillig tut
Deutsch ist nicht meine einzige Sprache
ich denke und träume manchmal anders
mein Herz gehört keiner Nation
mein Geist unterwirft sich keiner Religion
meine Leidenschaft ist die Freiheit
mir gefällt die deutsche Verfassung
aber mir gefällt nicht alles in Deutschland
ich bin eine Deutsche
mir gefallen nicht alle Deutschen
ich bin eine Deutsche
und ich gehe nicht mehr hier weg
zumindest nicht für immer
und wenn
dann komme ich wieder
ich bin eine Deutsche
und bleibe bei euch
weil ich das Land so liebe
wie du

 

Die Ausländer und ihre Bezahlkarte

TRIGGERWARNUNG
IN DIESEM TEXT WURDEN
EINIGE ANFÜHRUNGSZEICHEN
NICHT VERGESSEN, SONDERN
GEKÜRZT, UM DIE BRISANZ
IN DER GEGENWÄRTIGEN
LAGE NOCH DEUTLICHER
ZU MACHEN

ZUSCHREIBUNGEN ZU
GRUPPEN UND BEGRÜNDUNGEN
DIE AUF ETHNISCHE HERKUNFT
HINAUSLAUFEN SIND IMMER
RASSISTISCH

WER KULTURELLES DENKEN
ZUM ARGUMENT MACHT, STELLT
SELTEN DIE EIGENEN REGELN
INFRAGE

ZUDEM WIRD OFT VON
HOMOGENEN ORDNUNGEN
AUSGEGANGEN, DIE MIR
NOCH NIE SO
BEGEGNET SIND
NICHT MAL BEIM FC
IM STADION

LOS GEHT’s
schnall dich an
hier
kommt
Kurt

In Chatgruppen ist es
schon längst kein
Geheimnis mehr
inzwischen wird
es offen wieder
gesagt
die Ausländer
sind Schuld
unser Reichtum
geht verloren
weil sie
200 Euro
nach Syrien od.
Afrika ist kein Land
schicken
unser Geld
der Sozialstaat
längst spricht
man über Arbeits
-pflicht, besonders
Millionäre und
Besserverdienende;
in Talkshows werden
Betroffene einfach
wie Kinder behandelt
sie müssen ab 8 ins Bett
und dürfen nicht in der
Öffentlichkeit auftreten
›wir‹ müssen an die
„Publikumsmentalität“
denken

soweit, so gut
20 Tage Mariupol
eine Doku zeigt
warum jeder Krieg
einfach enden muss
immer sofort und
immer jetzt, das
Elend ist riesig
Kinder, Menschen
alle leiden
sogar die Tiere

welches Bein schmerzt
das fehlende oder das
andere – denken an
meinen Großvater
„ich habe denen
gesagt: ‚Das Bein
bleibt dran!’“, dann
das Leiden, die
Träume

Kindern wird die
schönste Zeit geraubt
warum ist ein Mann
so stark, dass ihm
Geschichtsbücher
folgen sollen

beendet das Leid
liebe Menschen
liebe Täter in R.
oder überall und
hört endlich auf
eure Gewalt, Macht
den Reichtum
über alles zu stellen
über alles in der Welt

ich fordere ›Sie‹ auf
beenden Sie das alles
sofort und suchen sie
das Glück in
Gerechtigkeit und
Liebe

neulich traf ich eine
ältere Frau aus Russland
sie war die herzlichste
Person, die ich lange
getroffen habe

bei ihr wohnen gerade
drei Ukrainer in Deutschland

die stärkste Waffe wäre
eine Dokumentation in Echtzeit

wer den Krieg gewinnt
muss die Information beherrschen

die Erzählung auf der anderen Seite
führt immer wieder vor, dass man
etwas ankündigt, indem man sagt
was man will, jedoch als Verneinung
wir werden das Land nicht überfallen
heißt, es wird so aussehen, dass sie
uns angegriffen haben; wir sorgen
dafür; wir wollen kein Land erobern,
heißt eigentlich, es gehört uns schon
wir holen es nur zurück, wir setzen
geltendes Recht um; wir sind
unser Maßstab; wir waren
lange weg; jetzt kommt der Feind;
Er ist wieder da.


in einem Film aus Mariupol
sagt ein Mann an der Front
er habe P*s Rede verfolgt
und der Mann sei verrückt
er wolle nicht in R* leben
er wolle einfach in der U*
leben

leben
wird täglich beendet
durch einen Mann
und durch das System
die Eliten sind immer
rechts

wie sollen wir Kriege
beenden ohne welche
zu führen

ich kenne die Antwort nicht
wenn wir politisch agieren
wer schützt uns
überall auf der Welt
gegen das
über alles in der Welt

geschickt ist auch
dass man seine Feinde
als Nazis bezeichnet
dann ist man selbst
raus aus der Sache;
ungeschickt ist
wenn die Taktik
schnell erkannt wird,
dann wirkt die Praxis
schizophren
man
bezeichnet
den anderen
durch sich selbst;
zu wem aber wird
wann
gesprochen –
Feinde des Regimes
verstehen sofort
dass sie
beobachtet werden
überall auf der Welt

es klopft an der Tür
das Internet ist kurz
ausgefallen

wieder da
zurück aus der
außenpolitischen
Binnenerzählung
zurück in die Heimat
in der man sich
an den Ausländern
abarbeitet, weil
die Ausländer
ihre Familien und
Cousins hier her-
holen, damit
sie Geld für
Zigaretten und
Alkohol in die
Herkunftsländer
schicken können
der deutsche
Sozialstaat sichert
Renten überall
auf der Welt

sie sollen für die
Gemeinschaft arbeiten
längst planen Eliten (rechts)
schon Lager in System-
bauweise, die man
verkaufen kann
die Lagerlösung XXL
jetzt geht’s plötzlich
ganz, ganz schnell
da kehrt der Ahmed
und die Aische
im Hof steht längst
ein Nibelung und
droht
mit seinem
Drachentöter

er zählt die Scheine
und sie auch, sie leisten
sich einen All-Inkl.-Urlaub
in der Türkei

auf der Arbeit lernt man
besonders gut Deutsch
man braucht keinen
Sprachkurs

bei T* werden Schweine
geschlachtet
niemand spricht
ein Wort
denn Worte
bedeuten
Widerstand
wird möglich

warum ist Deutschland so dumm

nicht Innovation wird gefördert
sondern Copy+Paste der Geschichte
sind die Gebildeten so unfähig
warum gibt es keine smarte Lösung
wann erkennt man endlich:
für die Zukunft gibt es keinen
Erwartungshorizont

Menschen sollen
frei über das Geld verfügen
aber wenn Menschen sich
am Staat bedienen wer genau
wollen wir die Hände binden

natürlich ist das verständlich
dass Menschen Paternalismus
wollen

aber wann reden wir
über Inländer

wenn der Abfluss
von Geldern ins Ausland
ein Problem ist, wann
reden wir über Steuerflucht
und Steuertricks; wann über
Unternehmen, die sich
dem Sozialstaat
entziehen

wann holen wir
alle mit ins Boot

wann fangen wir endlich an
Prozesse zu verändern und
Deutschland zu einem
effizienten Land
zu machen

alles neu macht
der Mai

Differenzierungsangebot:
Intentionen dieses Textes

  1. Gesellschaftskritik: Der Text kritisiert Misstände im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, die Ausbeutung von Arbeitenden, und die Rolle von rechten Eliten in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen.
  2. Antikriegsbotschaft: Der Text setzt sich gegen jede Form von Krieg ein. Das Leiden, das durch bewaffnete Konflikte entsteht, wird betont. Das sofortige Ende von Gewalt und Unterdrückung wird gefordert.
  3. Menschlichkeit: Der Text zeigt Empathie gegenüber allen Menschen, insbesondere aber in Bezug auf die Kriegsfolgen in Mariupol. Er appelliert an die Menschlichkeit und ruft die gesamte Welt dazu auf, die Gewalt zu beenden.
  4. Gerechtigkeit und Liebe: Die Vision des Textes ist eine Welt, in der Gerechtigkeit und Liebe zur Herrschaft gelangen. Das Ziel der Menschlichkeit ist die individuelle Suche nach Glück und nach einer friedlichen Gemeinschaft.
  5. Kritik an der politischen Sprache: Der Text kritisiert Taktiken in der politischen Sprache, wie das Benennen von Feinden als Nazis und die Verwendung von Täuschungsmanövern in der Politik.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Interpretation eines Textes subjektiv ist, und verschiedene Lesende können unterschiedliche Nuancen und Botschaften hervorheben.

Wiedersehen auf der Eythstraße

Nach einigen Monaten geht es vorüber, das Gefühl, dass da doch was war oder gewesen ist. Der Ort hier könnte auch die Via Ignacio Allende in Mexiko City vor vielen Jahren sein. Ich weiß es nicht mehr genau, wie es damals war und wie genau es sich dort angefühlt hat, aber ich vermute, dass die Situationen vergleichbar sind. In Mittelamerika war es allerdings sehr viel heißer als gestern in Köln-Kalk an der Grenze zu Buchheim.

Ich hörte eine Stimme, sie kam nüchtern und unerwartet. Auf der anderen Seite der Straße lachte mich eine junge Person an, die inzwischen mit mir auf die 40 zugeht. Wir hatten uns lange nicht gesehen, sprachen über dies und das und über die gemeinsame Zeit, damals in der Schule. Es waren große Träume gewesen, die wir hatten, und die Realität hatte sich als noch größer herausgestellt. Das sah man dir an und mir wahrscheinlich auch.

„Weißt du noch“, sagt Lena, „es ist einfach nicht richtig einen Krieg zu beginnen.“ Es waren gerade zwei Flugzeuge in den Mittelpunkt der westlichen Welt geflogen. Das Problem der Stunde war der Terrorismus, der inzwischen global vernetzt war. Fanatische Einzeltäter wurden am Microsoft Flugsimulator ausgebildet, um dem Streben nach Glück die Kamikaze ins Paradies entgegenzusetzen.

„Ich bin einfach der Meinung, dass wir uns verteidigen müssen. Also ich weiß nicht, ich bin natürlich kein Amerikaner und so, aber wenn ich in New York leben würde, dann hätte mein Vater ja möglicherweise im Turm gearbeitet. Hast du die Bilder nicht gesehen, da springen die einfach raus…“, mein Plädoyer für den pazifistischen Humanismus fand seine Grenzen in dem Schock, den die Nachrichten in Echtzeit bei mir ausgelöst hatten.

„Es kann aber nicht sein, dass wir den Terror jetzt als Ausrede für Kriege gegen Staaten benutzen. Der Irak ist nicht Afghanistan, die Massenvernichtungswaffen gibt es nicht und es gibt überhaupt keine Beweise. Das ist alles Fake der Regierung!“, sagte Lena und ich hatte sie noch nie so emotional erlebt, aber gerade das machte mich jetzt glücklich, denn normalerweise waren ihre philosophischen Argumentationen immer sehr nüchtern, was mich oft überforderte. Nun kam sie der Sache näher, denn sie fühlte, dass Blut und Adrenalin etwas verändern konnten.

Am Nachmittag gingen wir zusammen auf die Demonstration gegen den Irak-Krieg. Wir hofften darauf, dass die Welt morgen nicht untergehen würde und dass die Amerikaner George Bush nicht noch einmal zu ihrem Präsidenten wählen würden. Das war viel Konjunktiv. Unser Englischlehrer sagte damals, dass wir uns nicht sicher sein sollten, die Stimmung in Deutschland sei das eine, die andere Sache sei die reale Wahl in den USA. Da kämen manchmal wilde Ergebnisse zustande.

Die frische Luft hatte uns gutgetan. Abends saßen wir zusammen und hörten das neue Lied von Pink und dann eins von Razorlight. Stell dir vor, wir könnten mal spazieren gehen, sang die eine, die anderen sangen von panic und trouble in Amerika. Beide Tracks versprachen uns schlaflose Nächte, und derweil gingen auch unsere Indie-Ideologien etwas durcheinander. Du fandest Pink viel zu sehr im Pop zu Hause für so eine politische Message. Ich fand, dass die Gitarre bei Razorlight großartig war, wollte das aber nicht offen zugeben. Eigentlich scheiterte ich an meiner eigenen Eitelkeit.

„Weißt du, der Track Dear Mr. President ist überhaupt nicht radikal. Die spricht den Präsidenten nicht mal an. Wenn die wirklich politisch wäre, dann wär das doch wichtig…“, dem konnte ich nichts entgegensetzen, aber ich versuchte, das was da war, dieses Etwas mit der Kunst zu begründen und sagte: „Die Kunst muss frei bleiben, so funktioniert das Lied auch Jahre später noch.“ Das war mein letztes Argument, dann waren wir zu Müde, um uns weiter zu streiten. Wir rauchten eine Zigarette und schliefen miteinander.

Am nächsten Morgen stand dein fragender Blick in meinem Gesicht: „Meinst du, dass jemand in Moskau oder St. Petersburg gerade Pink oder Razorlight hört?“, fragte mich Lena als es draußen sehr langsam zu regnen begann. Das wäre in Mexiko sicher so nicht passiert, da fiel das Wasser immer sehr plötzlich und konsequent vom Himmel. Zumindest war das so in meiner Erinnerung. „Ich habe gar keinen Schirm dabei“, sagte ich und schob völlig unpassend hinterher, „ich glaub ich muss noch mal hoch.“ Und dann war da wieder diese nüchterne Stimme, für die ich Lena so liebte: „Du liegst im Bett. Draußen war gestern. Du musst jetzt aufwachen, es ist schon 6:30 Uhr. Die Kinder müssen gleich zur Schule.“

Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist die Zeile „Yesterday was easy / Happiness came and … „, und die Welt ist für uns beide ganz kurz in Ordnung.

Im Februar, wenn… [KI]

Im Februar, wenn der Rubel noch regiert,
das Kapital und das Braun die Welt bestimmt.
Doch still die Hoffnung keimt in einem Herz,
dass bald der Frühling neue Blüten treibt.

Die Tage werden länger, die Sonne strahlt,
friedlich schmilzt der Schnee der Erinnerung.
Muntere Vögel zwitschern wie vor 20 Jahren
als man bis morgens früh noch im Club war.

Ein Monat voller Widersprüche und Kälte
erklärt nur, dass man sich noch nicht kennt.
Ein Leben voller Glück und Veränderung
zeigt, dass niemand die Antwort erträgt.

Wir feiern im Februar die Freiheit im Geiste,
auch wenn einer nicht mehr kämpfen kann.
Mit jedem Tag kommt Hell in das Dunkel und
mein Gefühl sagt mir, dass Revolutionen
– in jedem Land plötzlich beginnen.

[…] Es ist wichtig, dass du deinem eigenen künstlerischen Instinkt folgst und deine persönliche Stimme im Gedicht behältst.

Schubladentest

Heute war meine Musterung
sie wollten mich in eine Schublade
stecken
zu den anderen Pionieren
ich habe sie
am Ende
davon überzeugt
ein Regal zu bauen
frag nicht wie!

als sie fertig waren
habe ich ihnen gesagt
dass es
zu wenig Fächer hat
da waren sie empört
und ich
bin eine Runde
durch den Wald
gelaufen
und einfach
dort
geblieben

sie suchen mich
vermutlich
mit irgendeiner App
aber ich habe
gar kein Sysem
außer mich
und
das Leben

DEIN WÄRMEBILD
WIRD DICH VERRATEN!

400+

Gestern habe ich die 400 geknackt. Fast unbemerkt. Nach einer anstrengenden Woche und einem wunderbaren Text – persönliche Sicht des Verfassers – in der letzten Woche fehlten etwas die Energie und die Ruhe.

Ich orientiere mich gerade zusätzlich in neuen Projekten, was Zeit frisst. Donnerstag kam das totale Down durch Kaffeeentzug. Das war krass, da ging kurz ganz, ganz wenig.

Gestern endlich ein paar neue Texte. Einige sind wieder sehr kritisch geworden, manche fangen so ein negatives Rauschen ein, das man im Alltag lieber ausblendet.

Positive Begegnungen halte ich viel lieber fest. Neulich an der Kasse bei Netto war so eine kurze Sequenz des Guten, die hat sich komplett eingebrannt in meinem Gedächtnis.

Über das Schreiben

In den letzten Tagen sind mir zwei Dinge noch einmal bewusst geworden.

Erstens ist das Schreiben für mich keine Option, sondern eine Tätigkeit, die zu meiner Persönlichkeit gehört. Das gilt auch für die Musik. Wenn ich nichts mache, dann schlägt das auf die Stimmung [sic!]. Wenn ich was mache, dann muss ich auf die Wechsel der Wirklichkeiten achten, denn manchmal bin ich noch im Text, und Menschen, die mir dann begegnen, sehen in mir nur den Autor oder den Künstler. Dann verwechseln wir uns beide als Menschen.

Zweitens ist Literatur nicht der Ort, der Wahrheit durch empirische Daten dokumentiert, sondern das Medium, das Wahrheit durch fiktionale und fiktive Momente autodiegetisch generiert. Das klingt sehr theoretisch, ist aber im Prinzip sehr einfach. Der Text ist seine eigene Realität und Teil dieser Welt. Einerseits schreibe ich, um Elemente und Strukturen zu erfassen. Andererseits drängt die Sprache in eine forschende Selbstbestimmung.

In jedem Fall sind nun eine ganze Menge kurze und längere Texte hier entstanden. Zuletzt habe ich manche im Dialog mit der KI geschrieben.

Insgesamt muss ich sagen, dass mich das Klackern der Tastatur glücklich macht. Die Literatur macht es auch, durch das Schreiben und die Menge der Texte gewinnt man seine eigene Stimme, und man findet Souveränität in der Sprache vermutlich am besten jenseits einer neoliberalen Öffentlichkeit und unabhängig von den Reaktionen eines erwartungsfrohen Publikums.

Radikalisierung im Internet

Gestern habe ich mal wieder einen Beitrag zur Radikalisierung im Internet gehört. Ähnlich wie bei Amokschützen in den USA wird auch in Deutschland, bei Anschlägen wie in Hanau, oft die systemische Gewalt gegen das Individuum ausgespielt oder relativiert. Dann heißt es, dass sich ein Täter online radikalisiert habe, er sei schizophren oder pathogen in der psychologischen Erscheinung etc.

Das ist zu einfach, klingt hilflos und naiv. Die Anmerkung eines Überlebenden trifft den Kern des Problems: Dort, wo ein Rechtsextremist einen Amoklauf verübt, der von einer Exekutive verhindert werden soll, in der wiederum in Teilen das gleiche Gedankengut vertreten ist, da gelangen wir zur Ursache und die ist im Zusammenhang zu suchen, nicht im Einzelfall.

Der Wahnsinn soll weggesperrt oder ausgeschlossen werden. In der Ohnmacht darf nicht sein, was ist. Der eigentliche aber Wahnsinn ist, dass ein rechtsextremer Täter eben nicht aus der Einsamkeit entsteht, sondern aus der Gesellschaft, die diese Tat möglich macht. Das macht den Schützen nicht weniger schuldig, aber es entlastet auch nicht vorschnell das Kollektiv.

Wenn wir wirklich etwas gegen Radikalisierung und Extremismus machen wollen, dann müssen wir als Gesellschaft insgesamt begreifen, dass wir keine Stellvertreterkriege auf den Rücken von Einzelnen austragen können.

Schluss

Noch eine Anmerkung in eigener Sache und zu meiner persönlichen Sicherheit:

Ich besitze keinen Waffenschein, nur einen Angelschein, den ich selten nutze. Ansonsten bin ich Pazifist und Demokrat mit romantischem Idealismus und aufgeklärter Ideologie.

Mein Ich ist ein glücklicher Mensch, der sich zum erweiterten Denken fähig fühlt. Als Literat treffe ich im Alltag öfter auf fragende Blicke, aber das zeigt nur, wie tragisch es um die Sprache und die Literatur beschaffen ist.